Wenn der Hutmacher zum Tee bittet

Neunkirchen · Normalerweise entwickeln die Neunkircher Amateurtheater über einen Zeitraum von einem halben Jahr ihr Weihnachtsmärchen. Das Team der Kulisse musste es diesmal in knapp drei Monaten schaffen – mit Erfolg. Die Premiere war gut besucht und hoch gelobt.

 Alice (Ida Jacobi, r.) gerät in eine völlig verrückte Teegesellschaft mit dem Märzhasen (Marius Fries, l.), der Haselmaus (Catarina Cottone) und dem Hutmacher (Isaak Jacobi). Fotos: Thomas Seeber

Alice (Ida Jacobi, r.) gerät in eine völlig verrückte Teegesellschaft mit dem Märzhasen (Marius Fries, l.), der Haselmaus (Catarina Cottone) und dem Hutmacher (Isaak Jacobi). Fotos: Thomas Seeber

. "Es ist sehr verletzend, als Ei angesprochen zu werden." Humpty Dumpty, das sprechende Ei, ist etwas pikiert. Und schießt scharf zurück, als ihm sein Gegenüber, die entzückende Alice in ihrem knielangen grünen Kleid mit der weißen Schürze und dem Blumenkranz im gelockten braunen Haar, ihr Alter nennt: elfeinhalb. "Ein unschönes Alter", giftet das Ei alias Sascha C. Ferdinand. An Alice' Stelle hätte es mit sieben aufgehört. Das muss man nicht verstehen, lustig ist es trotzdem. Eine Erfahrung, die sich durch das ganze Stück zieht.

Es ist nicht das klassische Weihmachtsmärchen, das der Theater- und Spielverein "die Kulisse" da auf die riesige Bühne der Gebläsehalle bringt. 1865 veröffentlicht, gehört "Alice im Wunderland" des Briten Lewis Caroll unbedingt zur Weltliteratur, allerdings ins Genre literarischer Nonsens. Die Geschichte handelt, kurz gefasst, von Alice, die durch ein Kaninchenloch in eine phantastische Welt fällt, wo es von durchgeknallten Typen nur so wimmelt. Da gibt es zum Beispiel die auf Pfeffer fixierte Köchin, eine dauergrinsende Katze, eine mysteriöse Teegesellschaft oder die hysterische Herz-Königin, die alle Naselang "Kopf ab" brüllt. Für Regisseurin Sibille Sandmayer und ihr Ensemble eine Steilvorlage, die sie mit viel Spielfreude und Witz nah am Original umsetzten. Nur einmal flutschte die Handlung kurz in die Jetztzeit, als Alice ein "Selfie" per Handykamera knipsen ließ.

Erst im letzten Jahr hatte die Kulisse an gleicher Stelle "Des Kaisers neue Kleider" aufgeführt. Eigentlich wäre "Die Schaubühne" diesmal dran gewesen. "Doch dann kam im September plötzlich ein Anruf und die Frage: Hast du ein Stück?" Nun, Sibille Sandmayer hatte keines, "Märchen sind nicht mein Ding". Aber für sie als Disney-Fan war "Alice im Wunderland" durchaus eine Option, auch wegen der vielen interessanten Figuren, die "schauspielerisch reizvoll" seien. "Pinocchio und Rumpelstilzchen macht jeder."

Eine so verrückte Geschichte habe zudem den Vorteil, "dass keiner merkt, wenn was schief geht". Angeblich seien zwei Mini-Pannen bei der Premiere passiert, was aber niemandem auffiel. Da ständig neue Figuren eingeführt werden, kommt auch keine Langeweile auf. Im Gegenteil: Gebannt verfolgten Kindergarten- wie Schulkinder, wie Alice, schön gespielt von Ida Jacobi mit einer Mischung aus Höflichkeit, Neugier und einem gehörigen Schuss Selbstbewusstsein, dem nervösen weißen Kaninchen (Ulrike Goethe mit guter Kondition und Schalk) hinterher jagt. Natürlich lachen sie sich schlapp, wenn der weiße Ritter (ein herrlich steifer, selbstverliebter Dietmar Feiock) immer wieder von seinem Steckenpferd fällt. Und dass die Mädchen und Jungen immer wieder zwischendurch unvermittelt klatschen, was sich wie eine Welle durch den Saal ausbreitet, ist sicher auch kein schlechtes Zeichen.

"Uns hat es gut gefallen. Sehr schön umgesetzt, tolle Kostüme", lobte Roswitha Weiser aus Limbach im Anschluss. "Mein Enkelkind Yara hat ständig gefragt: Wo ist der weiße Hase?" Bei der Handlung mitzukommen, sei vielleicht für kleinere Kinder etwas schwierig gewesen, auch was die Wortspiele betreffe. Aber dem Spaß habe das keinen Abbruch getan. Ihr Vorschlag: Warum nicht mal das Weihnachtsmärchen abends für Erwachsene anbieten? "Für die wäre das auch toll."

 Hat nie Zeit: das weiße Kaninchen.

Hat nie Zeit: das weiße Kaninchen.

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Die AkteureMitwirkende: Ida Jacobi (Alice), Elena Schneider (ihre Schwester/Herzogin), Ulrike Goethe (Kaninchen ), Melanie Kamara (Raupe), Rainer Setz (Frosch/Herz-König), Larissa Zimmer (Köchin/Herz-Sieben), Sascha C. Ferdinand (Humpty Dumpty/Herz-Bube/Henker), Dietmar Feiock (Grinsekatze/Weißer Ritter), Isaak Jacobi (Hutmacher), Marius Fries (Märzhase), Catarina Cottone (Haselmaus), Zoe Stein (Herz-Zwei), Karin Stein (Herz-Königin). Regie: Sibille Sandmayer. Kostüme/Requisite: Ulla Bitz. Bühnenbau/Technik: Markus Kumpf, Klaus Müller, T. Hoheisel. red

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