„Verwunschen“
Man wandert durch den Warndtwald, ist dabei überdurchschnittlich zufrieden und rätselt, woran das liegen könnte. Spektakulär ist hier nämlich nichts, „wildromantisch“, wie in Marketing-Textchen Aussichten in Deutschland gern gepriesen werden, auch nicht.
Vielleicht "verwunschen"? Auch das ist so ein großes Wort, auf das der Regionalverband Saarbrücken aber tatsächlich zurückgreift, wenn er die Gegend beschreibt: man bewege sich in "verwunschener Warndt-Landschaft", heißt es in der frischen Broschüre zum "Schäfertrail", dem neuesten Themenwanderweg in der Region.
"Verwunschen", belehrt der Duden, sei etwas, das "unter der Wirkung eines Zaubers steht", etwas "Verzaubertes". Ist das hier so? Oder war vielleicht nur "bezaubernd" gemeint? Der Wortbestandteil "Trail" ist auf jeden Fall missverständlich. Er suggeriert Trampel- und Wurzelpfade, aber dieser neue, gut 20 Kilometer lange Wanderweg, von dem noch vier abkürzende Querwege abgehen, führt meist über gut ausgebaute Wirtschafts- und Wanderwege und ist deshalb leicht zu meistern, sogar mit Kinderwagen und Sandalen .
Und das ist im Sinne der Erfinder beim Regionalverband auch gut so. Christina Jochum vom Team Tourismus sagt, man wolle an den Wochenenden 200 Wanderer auf dem Weg sehen. Familienprogramme und geführte Touren sollen dies beflügeln.
Der Schäfertrail verbindet Wege, auf denen die Schäfer ihre Tiere von einer Weide zur nächsten treiben. Früher waren es mehrere, heute ist es nur die Schäferei Sommer, die dieses Handwerk mit ihren Merinoschafen betreibt. Hinzu kommen die Heidschnucken des Landschaftspflegevereins Karlsbrunn.
Die Karte verzeichnet zwölf Weiden. Agraringenieur Robert Weber vom Regionalverband stellt beim Start einer Probewanderung in St. Nikolaus ("Zu den Eichen") aber gleich klar, dass die wenigsten Weiden gleichzeitig mit Tieren bestückt seien. Diese wanderten ja schließlich von einer zur anderen, um sie nach und nach zu beweiden. Will heißen: Dies hier ist kein Schaf-Zoo mit dauerhaft belebten Stationen. Es geht vielmehr darum, wie der Prospekt sagt, in einer waldreichen Kulturlandschaft "Vergangenes zu erahnen, Bekanntem zu begegnen und Neues zu entdecken".
Etwa die braven Karlsbrunner Wasserbüffel, die sich auf der Weide in ihrer selbst gegrabenen Badekuhle suhlen wie Wellness-Touristen im Fangobad. Oder die schwäbisch-hallischen Schweine, die ihr Daheim in einem Waldstück zugeteilt bekamen. Es gibt Hühner und Kühe zu sehen, dazwischen immer wieder Blicke auf Dörfer und alte Anlagen des Bergbaus.
Wer mehrere Stunden unterwegs sein möchte, nimmt Verpflegung im Rucksack mit, Erfrischungs-Büdchen liegen keine am Wegesrand, eine Toilette für jedermann hat immerhin der Landschaftspflegeverein anzubieten.
12 000 Euro, so ist zu erfahren, hat die Einrichtung und Bekanntmachung des Schäfertrails gekostet, das meiste davon aus Fördertöpfen. Hört sich nach viel an, hat aber nicht gereicht, um unmissverständlich überall die Wege zu weisen. Die 130 kleinen Täfelchen, in ihrer dunkelgrünen Farbe im Wald gut getarnt, sollen aber noch ergänzt werden. Gut gelungen sind bereits die vier großen Erklär-Tafeln. Und die zehn "Spruch-Tafeln", auf denen Begriffe wie "Sündenbock", "Schäferstündchen" und "Schäfchen ins Trockene bringen" beleuchtet werden. Sich Verlaufen ist übrigens gar nicht schlimm hier. Es hat genau genommen sogar sein Gutes, dass dezent beschildert wurde. Hängen nicht schon genug Wegweiser an den Waldbäumen? Und was ist dabei, hier mal das Orientieren zu üben? Nach wenigen Kilometern landet der Schäfertrail-Wanderer im nächsten Ort. Den er übrigens nicht schon von weitem hört, sondern nur sieht.
Und das beantwortet die eingangs gestellte Frage, was hier im Warndtwald so besonders ist: die Abwesenheit von Verkehrs-, Industrie- und Siedlungskrach. So etwas gibt es, in einer weitgehend flachen, leicht zu begehenden Waldlandschaft mit schönem Baumbestand, im Saarland vielleicht nur hier. Und deshalb darf man in der Tat das Gütesiegel "verwunschen" geben.