Wie man sein eigener Held wird Über den Maulwurfshügel zum Himalaya

Neunkirchen · Glück speist sich aus Mut und Selbstlosigkeit. So die Botschaft des Extremsportlers und Aids-Aktivisten Joachim Franz, der gestern 60 Schüler des Kaufmännischen Berufsbildungszentrum Neunkirchen motivierte: „Sei dein eigener Held!“ – einmal mehr, wenn keiner an dich glaubt.

 Beste Stimmung im Filmsaal des KBBZ: Der Extremsportler und Motivations-Trainer Joachim Franz, Bildmitte, hielt im KBBZ Neunkirchen denVortrag „ Sei Dein eigener Held“. Links: Patrick Rammo von der Sparkasse, rechts: Schulleiter Heiko Staub.

Beste Stimmung im Filmsaal des KBBZ: Der Extremsportler und Motivations-Trainer Joachim Franz, Bildmitte, hielt im KBBZ Neunkirchen denVortrag „ Sei Dein eigener Held“. Links: Patrick Rammo von der Sparkasse, rechts: Schulleiter Heiko Staub.

Foto: Jörg Jacobi

Mit sechs hatte der kleine Joachim die fixe Idee, nach Südafrika zu müssen. Von Wolfsburg aus war das in den 60-er Jahren nicht nur eine Weltreise, sondern schlichtweg undenkbar. Als Zwölfjähriger meinte er dann, es wäre ganz schön, mit dem Rad ans Nordkap zu fahren, was seine Eltern ähnlich begeistert aufnahmen. „Das schaffst du nie“-Ziel Nummer drei war der Ural und dort insbesondere die Schnittstelle von Europa und Asien. Doch dann kam es so wie immer: Plötzlich war Joachim 30, brachte 123 Kilo auf die Waage und arbeitete wie alle anderen im Dreischichtbetrieb bei VW. Soweit, so normal. Wäre da nicht diese Davidoff Werbung im Fernsehen gewesen: „Cool Water Man“ entsteigt göttergleich der Brandung. Für den Werkzeugmacher auf dem Sofa, „Bier und Kippe in der Hand“, führten die inszenierten Muskelberge samt Waschbrettbauch zu einer Art Initiations-Erlebnis: „So will ich auch aussehen.“

Die Elftklässler, die Mittwochmorgen dem Vortrag von Joachim Franz aufmerksam folgten, ahnten es schon: Diese Geschichte geht gut aus. Schließlich ist der Redner trotz seiner 57 Jahre in Topform, die üppig tätowierten Oberarme („jedes Tattoo steht für eine Reise“) sprengen fast das T-Shirt, und beim Sprechen wippt Franz dynamisch auf den beturnschuhten Zehenspitzen, als ob es ihn nicht mehr lange im Mediensaal des KBBZ hält. Er könnte jetzt auch auf irgendeinem Gipfel dieser Welt stehen oder mal wieder ein paar tausend Tretroller-Kilometer runter schrubben – für die Aidshilfe, für den Kampf gegen Kinderprostitution, für mehr Gleichberechtigung.

Dass er stattdessen hier ist, geht auf das Konto der Sparkassen Saarbrücken und Neunkirchen, dem Sparkassenverband Saar, der LBS Saar und der Abenteuerhaus GmbH. Diese haben 2009 gemeinsam die Schulvortrags- und Workshop-Reihe „Sei dein eigener Held!“ ins Leben gerufen, um die Persönlichkeits- und Potenzialentwicklung junger Menschen zu unterstützen. Was auch das erklärte Ziel seiner Schule sei, betonte KBBZ-Leiter Heiko Staub. „Wir wollen nicht nur Bildung, sondern auch Werte vermitteln und Talente wecken.“

Was mit einem realen Vorbild nachhaltiger sein dürfte als mit erhobenem Zeigefinger. Franz selbst liegt das Missionieren und „du sollst“ fern. Trotz erster Hürden wie einer neongelben Laufhose, die einzige, die es damals in seiner Größe gab, nahm er über 50 Kilo ab und betrieb vier Jahre lang Hochleistungssport. Zu einer Art Mantra wurde der Kalenderspruch: „Wir scheitern nicht an Bergen, sondern an Maulwurfshügeln“, wobei diese Maulwurfshügel oft zwei Beine haben. Franz stellte Weltrekorde auf und bestritt die härtesten Wettkämpfe. Irgendwann, irgendwo im Himalaya, warf ihn ein Fieber aus der Bahn, und als er aus dem Koma erwachte, stand da die Frage: Habe ich wirklich etwas bewegt?

Eher „nein“. Also beschloss er, sein Leben noch einmal zu ändern und den Sport dazu zu nutzen, Zeichen zu setzen. Joachim Franz plante seine erste Expedition: Mit dem Fahrrad von Hannover zum Nordkap und zurück, um Spendengelder für den Regenwald zu sammeln. Südafrika ist mittlerweile seine zweite Heimat, und auf der symbolischen Grenze oben im Ural, in 1800 Meter Höhe, grätschte mit ihm ein ganzes Filmteam zwischen den Kontinenten.

Viel Stoff zum Verdauen für die 16- und 17-jährigen Zuhörer. Damit nicht genug, dürfen sie jetzt selbst initiativ werden. „Das ist eure Chance. Wenn ihr wollt, kommen wir wieder für einen Workshop“, informierte der Träger des Bundeverdienstkreuzes und Europäer des Jahres 2009. „Man muss nicht aufs Rad steigen oder Extremsport machen.“ Anderswo haben Schüler Nachbarschaftshilfe organisiert, Zeichen für religiöse Toleranz gesetzt, Spenden fürs Hospiz gesammelt und vieles andere mehr. „Wir möchten, dass sich junge Leute engagieren, Verantwortung übernehmen, Loyalität zeigen und Teamgeist leben“, so Franz. Gesellschaftlicher Wandel von unten, genau genommen. Und Cool Water Man? Der kann eigentlich zurück ins Meer

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