SZ-Serie „Ich packe meinen Koffer“ Aufgeklärt lebt es sich sicherer

Neunkirchen · Urlaubszeit, Reisezeit. Sie kennen das Spiel „Ich packe meinen Koffer und nehme mit“? Die SZ hat sich spannende Koffer öffnen und ihren Einsatz erklären lassen. Heute Teil 1: bei Pro Familia Neunkirchen.

 Helmut Rausch und Christa Piro von Pro Familia Neunkirchen öffnen für unsere Zeitung ihren Koffer. Die Einrichtung ist Anlauf- und Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität, Familienplanung und Sexualpädagogik  

Helmut Rausch und Christa Piro von Pro Familia Neunkirchen öffnen für unsere Zeitung ihren Koffer. Die Einrichtung ist Anlauf- und Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität, Familienplanung und Sexualpädagogik  

Foto: Thomas Seeber

„Wie lange muss man im Bett liegen, bis man schwanger ist?“ Fragen dieser Art hat Helmut Rausch über die Jahre gesammelt. Sie finden – geschrieben auf kleinen Zetteln von Viertklässlern – Platz in einem braunen DIN A 4-Umschlag. Für den SZ-Besuch flattern sie aus dem Umschlag. „Wie macht man Sex bei Frau und Frau und bei Mann und Mann?“ heißt es da. Oder auch „Ab wie vielen Jahren kann man Sex haben?“

Rausch gehört zum Team von Pro Familia, Anlauf- und Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität, Familienplanung und Sexualpädagogik, mit Sitz in der Süduferstraße Neunkirchen. Aktionsradius sind die Kreise Neunkirchen, Saarpfalz und St. Wendel. Für 2018, schlägt Leiterin Christa Piro nach, gab es 730 Beratungen in 524 Fällen. Dritte im Team neben Diplom-Psychologin Piro und Diplom-Sozialarbeiter und Sexualpädagoge Rausch ist Diplom-Sozialpädagogin Johanna Omlor. Alle drei mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Auf dem Tisch haben Piro (64) und Rausch (64) den „Verhütungsmittelkoffer“ geöffnet, drumrum weiteres Material für ihre Arbeit ausgebreitet. Da liegen „begreifbare“ Geschlechtsteile. Hoden und Penis, Scheide mit Klitoris und Eierstöcke. Alles schön bunt und schön plüschig. An einem Knautsch-Baby, noch der Fruchtblase nachempfunden eingepackt, kann eine Geburt vorstellbar werden. Im „Verhütungskoffer“ lässt sich – zwischen Pillen, Cremes, Spiralen oder Kondomen – auch ein „Kondometer“ entdecken. Der ist aber nicht für die Frage „Wie lang?“, sondern „Wie dick?“ Der „Kondometer“ wird um den steifen Penis gewickelt – im Koffer natürlich ein Holzmodell. Dann lässt sich die passende Kondomgröße ablesen. Material wie den „Verhütungskoffer“ können pädagogische Fachkräfte auch ausleihen. Klar: Alles auf dem Tisch wird jeweils alters- und zielgruppengerecht eingesetzt.

Ein Schwerpunkt, berichtet Christa Piro, sind inzwischen die Besuche in Grundschulen. Auf zehn bis zwölf Besuche im Jahr kommt Helmut Rausch. Für diese Einsätze ist immer auch noch eine Frau dabei. Zielgruppe sind die Viertklässler. Mädchen und Jungen zwischen acht und zehn Jahren. „Wir kommen an drei Vormittagen, jeweils von der zweiten bis zur vierten Stunde“, schildert Rausch. Der Besuch folgt einem Plan. Am ersten Tag geht es ums Kennenlernen und vertraut werden. Unzensiert sammeln die Schulgäste zudem Begriffe, die den Kindern in den Kopf kommen, und besprechen sie. Am zweiten Tag dreht sich alles um Aufklärung: „Wie werden Kinder gemacht?“ Eine anonyme Fragenbox wird aufgestellt. Der dritte Tag ist Prävention gegen Missbrauch und Ausbeutung gewidmet. Es geht um Ja und klar Nein sagen, um gute und schlechte Geheimnisse. Szenarien werden nachgespielt und nacherzählt. Quiz mit süßen Gewinnen und Film bilden den Abschluss.

Nach den drei Einheiten ist auch was mit der Klasse passiert, beobachtet Rausch immer wieder: „Die Kinder sind nicht mehr so schambesetzt.“ Unbefangener werden, braucht eben etwas Zeit. Die Schule informiert die Eltern vorab über das Aufklärungsangebot. Legen Eltern auch mal Veto ein? „In ganz seltenen Fällen“, sagt Rausch. Da werden Kinder mal „krank“ an dem Tag oder haben Unterricht in anderen Klassen. „Manchmal befürchten Eltern wohl: Dann wird mein Kind frühreif“, sagt Rausch. „Aber so ist das nicht.“ Aufgeklärte Kinder seien aber selbstsicherer und geschützter.

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