Stahlbranche hofft auf Solidarität

Neunkirchen · Dumping-Konkurrenz aus China, Wettbewerbsnachteile durch verschärften Emissionshandel: Der Stahl-Aktionstag am 11. April macht in Neunkirchen und drei weiteren saarländischen Städten auf den Ernst der Lage aufmerksam.

 Ministerin Anke Rehlinger, die sich im Februar in der Lehrwerkstatt der bfw den Arbeitsplatz der Auszubildenden von Saarstahl in Neunkirchen angesehen hat, unterstützt die IG-Metall-Betriebsräte und Vertrauensleute im Betrieb. Foto: Thomas Seeber

Ministerin Anke Rehlinger, die sich im Februar in der Lehrwerkstatt der bfw den Arbeitsplatz der Auszubildenden von Saarstahl in Neunkirchen angesehen hat, unterstützt die IG-Metall-Betriebsräte und Vertrauensleute im Betrieb. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Was wäre Neunkirchen ohne das Saarstahl-Werk mit seinen rund 850 Arbeitsplätzen? Ganz ohne Zweifel nicht nur um 850 Arbeitsplätze ärmer, hier hängt sehr viel mehr daran. Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat der Saarstahl AG, Werk Neunkirchen , wiesen am Mittwoch im Rahmen eines Pressegespräches darauf hin, dass die Zukunft der Neunkircher Stahlbauer so wie die der deutschen Stahlindustrie insgesamt in ihrer Substanz bedroht seien. Schuld daran seien die Dumping-Konkurrenz aus China und drohende Wettbewerbsnachteile durch verschärften Emissionshandel . "Mit einem saarländischen Aktionstag am 11. April wollen wir deutlich machen, dass es ,5 vor 12' ist", sagte Jörg Caspar, der 1. Bevollmächtigte der IG Metal Neunkirchen . Die deutsche Stahlindustrie stecke unverschuldet in der Krise, da sie von zwei Seiten in die Zange genommen werde: Zum einen werde die Welt von chinesischem Stahl zu Dumpingpreisen überschwemmt und zum anderen plane die EU eine Verschärfung des CO-Handels (siehe Hintergrund). Die Situation sei paradox, sagen die Gewerkschaftler. Die EU wolle mit den verschärften Emissionsregeln zum Klimaschutz beitragen. Dabei belaste chinesischer Stahl das Klima viel stärker als europäischer. In Deutschland fallen nach Angaben der Gewerkschaft für eine produzierte Tonne Stahl 1,5 Tonnen CO an. In China seien es 1,8 Tonnen. "Wenn alle EU-Produzenten aus wirtschaftlichen Gründen dichtmachen würden, wäre das ein Bärendienst für Europa", argumentiert Caspar. Dann würden andere wie Russland oder China noch mehr "schmutzigen" Stahl liefern. Einen zweiten, wichtigen Aspekt stellt die Betriebsratsvorsitzende des Werkes Neunkirchen , Ellen Neumann, heraus. "Wenn die Stahlindustrie in Europa platt gemacht wird, werden auch keine Forschung und Entwicklung mehr in diesem Bereich betrieben, etwa für die wichtige Automobilindustrie." In Deutschland werde in 37 Instituten in Sachen Stahl geforscht, weiß Neumann. Wenn Deutschland sich von der Stahlindustrie verabschiede, verabschiede man sich auch von der Marke "made in Germany". Durch den Wegfall von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie gingen auch Arbeitsplätze in der Nachfolgeindustrie verloren, ist sich auch Jörg Caspar sicher. Er weist darauf hin, dass die Weichen für die Zukunft jetzt gestellt würden, auch wenn eine Entscheidung über den Emissionshandel erst im Jahr 2021 getroffen werde. Bereits im April seien nämlich Anhörungen geplant. Nicht nur beim Emissionshandel sehen die Stahlmitarbeiter Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Deutschland und die EU könnten sich mit Strafzöllen gegen den Tiefpreisstahl aus China wehren. "Die USA sind schließlich auch in der Lage, sich gegen Billigimporte zu wehren", betont Caspar. Schließlich könne von fairem Wettbewerb keine Rede sein. Die Stahlproduktion werde in China staatlich subventioniert. Am 11. April rufe man deshalb die Saarländer dazu auf, für den Erhalt der heimischen Stahlindustrie zu demonstrieren und sich solidarisch zu zeigen. > siehe auch Bericht

Die Kundgebungen zum Stahl-Aktionstag unter dem Motto "5 vor 12" beginnen am Montag, 11. April, um 11.55 Uhr auf dem Neunkircher Stummplatz. Vorher werden die Saarstahl-Mitarbeiter ab Werk zu einem Demonstrationszug durch die Innenstadt starten.

Zum Thema:
Verschärfte Emissionsregel: Um den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken, will die EU der Industrie weniger Verschmutzungsrechte zugestehen. Das Angebot an CO-Zertifikaten soll deshalb verknappt werden. Nach Angaben der IG Metall würde dies allein für die deutsche Stahlindustrie Zusatzkosten von einer Milliarde Euro im Jahr bedeuten. Damit seien die deutsche Stahlindustrie und damit rund 80 000 Arbeitsplätze gefährdet. red

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