Städtepartnerschaften: „Höhepunkt vorbei“

Neunkirchen · Zeigt das Rathaus bei den Aktionen des Städtepartnerschaftsvereins zu wenig Präsenz? SZ-Redaktionsmitglied Jasmin Kohl hat mit OB Jürgen Fried über seine Vision der Städtepartnerschaft gesprochen.

 Das Linke steht in Mantes-la-Ville, das Rechte in Neunkirchen: Diese Denkmäler setzen der Partnerschaft der beiden Städte ein Zeichen. Foto: SZ

Das Linke steht in Mantes-la-Ville, das Rechte in Neunkirchen: Diese Denkmäler setzen der Partnerschaft der beiden Städte ein Zeichen. Foto: SZ

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Welchen Stellenwert haben die drei Städtepartnerschaften Neunkirchens für Sie?

Fried: Ich glaube, dass der Höhepunkt von Städtepartnerschaften vorbei ist. Aus meiner Sicht haben speziell die Partnerschaften mit französischen Städten in erster Linie nach dem Zweiten Weltkrieg Sinn gemacht. So konnten Ressentiments abgebaut werden. Diese Art von Völkerverständigung war auch sicherlich noch in den 60er, 70er Jahren und 80er Jahren notwendig und wichtig. Die Städtepartnerschaft mit Mantes-la-Ville hat, als sie 1970 zustande gekommen ist, also einen Sinn gehabt. Gleiches gilt für die 1986 gegründete Partnerschaft mit Lübben, damals noch DDR-Stadt. Auch nach der Wiedervereinigung war diese Städtepartnerschaft wichtig, um sich besser kennenzulernen und den Lübbenern zu helfen, Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Dieser Prozess ist jetzt aber abgeschlossen. (…)

Wie sieht es mit der Partnerschaft zum polnischen Wolsztyn aus?

Fried: Durch die noch relativ neue EU-Mitgliedschaft Polens macht die Partnerschaft weiterhin Sinn, um die Länder einander anzunähern. (…) Diese Notwendigkeit ist bei Mantes-la-Ville und Lübben in dieser Form nicht mehr da. Das ist jedoch nur ein Aspekt. Aus meiner Sicht ist es immer noch sinnvoll, dass die Partnerschaften weiter bestehen, um sich besser verstehen zu können. Ich glaube allerdings, dass die Kontakte zu den Partnerstädten in den letzten Jahren geringer geworden sind.

Womit hängt das zusammen?

Fried: Ich denke, dass die Bedeutung von Städtepartnerschaften in unserer globalisierten Welt zurückgegangen ist. Das scheint ein generelles Phänomen zu sein. Die jungen Leute leben ja in einer globalisierten und digitalisierten Welt, ich weiß nicht, ob sie wirklich Lust haben, zum Beispiel jemanden aus Mantes-la-Ville im Rahmen eines Austausches für ein Wochenende zu beherbergen und ihm die Gegend zu zeigen. Ich glaube, dass das Interesse an diesen Austauschen zurückgeht. (…) Es macht keinen Sinn, einer Bevölkerung den Sinn für Städtepartnerschaften aufzuoktroyieren, wenn das Interesse einfach nicht da ist.

Waren Sie schon in allen drei Partnerstädten?

Fried: Ja sicher. In Wolsztyn war ich erst einmal, nämlich als 2011 die Städtepartnerschaft gegründet wurde. In Lübben war ich schon häufiger und in Mantes-la-Ville schon dreimal, allerdings ist das schon relativ lange her. Das letzte Mal war es 2003 oder 2004.

Wie unterstützt die Stadt Neunkirchen die Arbeit des Städtepartnerschaftsvereins?

Fried: Das macht sie durch einen finanziellen Beitrag, das sind rund 8000 Euro jährlich. Wenn irgendwelche Fragen auftauchen, versuchen wir außerdem zu helfen. (…)

Findet mit den Partnerstädten auch ein Austausch auf Rathausebene statt?

Fried: Ja, diesen gibt es vor allem mit Lübben. Ende Mai wird eine Delegation aus Neunkirchen nach Lübben fahren, zum 30-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Neunkirchen. Anfang November wird eine Delegation aus Lübben zum Günter-Rohrbach-Filmpreis nach Neunkirchen kommen. Auch nach Wolsztyn reist in unregelmäßigen Abständen eine Neunkircher Delegation. Außerdem ist die Stadt Lübben mit ihrer Tourismuszentrale regelmäßiger Partner bei der Neunkircher Messe. Mit Mantes-la-Ville gibt es jedoch seit knapp 12 Jahren keinen Kontakt auf der Rathausebene mehr. (…)

Warum?

Fried: 2011 habe ich ein Schreiben an die damalige Bürgermeisterin von Mantes-la-Ville geschickt, mit einer offiziellen Einladung zum Jubiläum mit Lübben und zur Unterzeichnung der Partnerschaft mit Wolsztyn. Auf das Schreiben ist aber nie eine Antwort gekommen.

Der Partnerschaftsverein klagt darüber, dass die Stadt wenig Präsenz bei den stattfindenden Begegnungen zeigt. Was sagen Sie dazu?

Fried: Würde der Städtepartnerschaftsverein ein Schreiben an uns richten und darum bitten, dass Besucher oder eine Delegation im Rathaus empfangen wird, würde ein Vertreter der Stadt kommen. Aus meiner Sicht gibt es da ein Kommunikationsproblem. (…) Grundsätzlich ist es aber so, dass der Verein der Träger der Partnerschaft ist und nicht die Stadt. Würde der Verein an mich herantreten und mich aktiv um Unterstützung bitten - dann bemühen wir uns darum, zu helfen. Wir unterstützen ihn auch gerne mit unseren medialen Möglichkeiten, also zum Beispiel durch den Wochenspiegel oder die Stadt-Internetseite. Wir könnten dort zum Beispiel auf die Bedeutung des Vereins hinweisen und so möglicherweise neue Mitglieder anwerben. Der Leiter des Hauptamtes ist zuständig für die Städtepartnerschaften, hat ein ganz offenes Ohr und ist regelmäßig in Kontakt mit dem Verein.

Der Städtepartnerschaftsverein kämpft mit großen Existenzproblemen: Sinkende Mitgliederzahlen und eine Vorsitzende, die keinen Nachfolger findet. Warum wird die Stadt da nicht aktiv?

Fried: An sich ist der Städtepartnerschaftsverein ein Verein wie jeder andere und es ist seine Aufgabe, diese Probleme zu lösen. Aber wie gesagt, wenn wir helfen können, machen wir das.

Ist der Städtepartnerschaftsverein für die Stadt nicht von großer Bedeutung?

Fried: Ja das ist er, aber wir können als Stadt ja jetzt auch nicht einfach einen Vorsitzenden bestimmen. Ich bin gerne bereit, eine Delegation des Städtepartnerschaftsvereins im Rathaus zu empfangen, um über die angesprochenen Probleme zu sprechen (…) und das Thema in den Stadtrat zu bringen, vor allem zu den politischen Parteien.

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