Smartphone-Stress in vielen SchulenNützlich, aber auch sehr ablenkend

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 Ann-Sophie, David (oben), Jonas und Julia verzichten ungern auf ihre Handys. Fotos: A. engel

Ann-Sophie, David (oben), Jonas und Julia verzichten ungern auf ihre Handys. Fotos: A. engel

Kreis Neunkirchen. Ein Neunkircher sorgte dieser Tage für überregionale Aufmerksamkeit. Karl Albert, Landesvorsitzender der saarländischen Schülerunion (SU) und Sohn des bekannten Neunkircher CDU-Politikers Karl Albert, forderte die weitgehende Freigabe von Handys an Schulen. Ein Verbot von Mobiltelefonen sei völlig lebensfremd. Es gebe vielfältige Möglichkeiten, Handys sinnvoll im Unterricht zu verwenden (die SZ berichtete). Eine Einschätzung, die durchaus von Schulleitern in der Region geteilt wird, wie eine Nachfrage der SZ in den verschiedenen Schulformen von der Grundschule bis zum Gymnasium ergab. So kann sich der Leiter der Gemeinschaftsschule Schiffweiler (ehemals Gesamtschule), Frank Brück, durchaus für zeitweisen und zielgerichteten Einsatz der Handys im Unterricht erwärmen. "In Arbeitsphasen kann es unter Anleitung der Lehrer durchaus sinnvoll sein, die Smartphones beispielsweise zur Internet-Recherche einzusetzen", so Brück. Aber grundsätzlich wird es auch in Schiffweiler so wie beim Gros der befragten Schulen gehalten: Man will die Geräte während der Unterrichtszeit "nicht sehen". Will heißen, dass sie ausgeschaltet werden und in den Taschen bleiben. Wer gegen diese Schulregel verstößt, muss sein Gerät dem Lehrer aushändigen. Die Eltern oder ein von ihnen autorisierter Erwachsener können das Handy dann abholen kommen.

So wird es beispielsweise auch an den Gemeinschaftsschulen Neunkirchen-Stadtmitte, Spiesen-Elversberg und Eppelborn sowie am Neunkircher Krebsberg-Gymnasium gehandhabt. Während der Unterrichtszeit - auch während der Pausen - dürfen die Geräte auf dem Schulgelände nicht in Betrieb gesetzt werden. Sie gelten "als schulfremde Sache".

Was den einen oder anderen Schüler nicht davon abhält, unter dem Tisch mal schnell die neuste SMS zu checken. Wobei diese Art des Umgangs mit den vielbegabten Smartphones weit weniger problematisch ist als der Missbrauch der Film- und Fotomöglichkeiten und des Übertragens zweifelhafter Inhalte auf die Handys der Mitschüler oder ins Internet. Lehrer in Zufalls-Posen abzubilden, die man mit peinlichen Kommentaren versehen kann, scheint für so manche der "Digital Natives" ( als "digitale Eingeborene" werden Personen bezeichnet, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet, Mobiltelefonen und MP3-Player aufgewachsen sind) ein unverzichtbares "Vergnügen" zu sein. Dass eine solche Art der Verleumdung durchaus rechtliche Konsequenzen haben kann, wird geflissentlich übersehen. Verletzungen der Persönlichkeitsrechte anderer, werden trotz der Einbeziehung dieser Materie in den Unterricht, immer öfter festgestellt, wie Joachim Klesen als Vorsitzender der Landeselternvertretung der SZ sagte.

Rebecca Spurk, die das Gymnasium Ottweiler leitet, an dem laut Hausordnung von 2010 die unkontrollierte Handy-Nutzung verboten ist, aber eine "unterrichtliche Verwendung mit pädagogischem Konzept" ermöglicht wird, wünscht sich eine klare Ansage vom saarländischen Bildungsministerium. Denn das setzt darauf, so Pressesprecher Jürgen Renner, dass etwaige Probleme "von der örtlichen Schulgemeinschaft geregelt werden". Angesichts der sich überschlagenden technischen Entwicklungen, die den Unterricht der Zukunft komplett verändern könnten, hält Rebecca Spurk eine Auseinandersetzung des Ministeriums auch mit den größeren Geschwistern wie Tablets oder Laptop für sinnvoll. Denn auch die tragen einige Schüler längst in ihren Taschen.

An Grundschulen sind zwar auch immer mehr Kinder mit Handys unterwegs, wie die SZ von Schulleitern erfuhr, doch hier seien die Probleme eher gering. An der Grundschule Furpach löst die Leiterin Dagmar Federkeil das leidige "Erreichbarkeitthema" über das zentrale Telefon im Sekretariat. Kinder können in Ausnahmefällen von dort telefonieren beziehungsweise über diesen Anschluss erreicht werden.

Kreis Neunkirchen. Und was halten die betroffenen Schülerinnen und Schüler vom Handy-Verbot? Dass es gar nicht so einfach ist , dazu Stellungnahmen zu bekommen, erlebte die SZ bei ihrer Recherche. Denn, wer möchte schon mit Namen genannt werden, wenn er sagt, dass an seiner Schule die Smartphone-Verhaltensregeln mitnichten so umgesetzt würden, wie es die Schulleitung erwartet. Auch wurde aus Schülerkreisen von Lehrern berichtet, die sogar während ihrer Unterrichtsstunde mal schnell nachsehen, warum es in der Aktentasche fiept. Andere Schüler wissen vom "liberalen Umgang" einzelner Fachlehrer mit der neuen Technik; kein Problem also, mal schnell das Tafelbild abzufotografieren. Was ja durchaus dem Willen von Schulleitungen entsprechen kann, die neue Technik "sinnvoll" zu nutzen. Hedda Sophie Engel, 15 Jahre alt und Schülerin am Illtal-Gymnasium (IGI) sieht auch die Missbrauchs-Seite der Handy-Nutzung und hat grundsätzlich keinen Stress mit dem Telefon-Tabu an Schulen. Ann-Sophie Cenkel, 16, ebenfalls am IGI, vertritt die Ansicht, dass Handys in der Schule durchaus nützlich sein können. Ihr Bruder David, 10, der noch Grundschüler ist, möchte keine Handy-Nutzung im Unterricht. Jedoch sollte es kein grundsätzliches Verbot an Schulen geben. Julia Spaniol, 15, wird an der Gemeinschaftsschule Schiffweiler unterrichtet. Sie findet, dass Handys in der Schule nicht schaden könnten, solange damit kein blöder Schabernak getrieben wird. Der Mangelhauser Jonas Lang, 15, der ein Lebacher Gymnasium besucht, ist sicher, dass die kleinen Geräte zuviel im Unterricht ablenken würden, wären sie im Dauerbetrieb. Gut sind seien sie sicherlich im Notfall. sl

"Es gibt durchaus sinnvolle

Nutzungen."

Schulleiter

Frank Brück

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Von SZ-Redakteurin

Solveig Lenz-Engel

Als Angehörige der Babyboomer-Generation hatten wir in unserer Jugend weit weniger mit Ablenkungen der technischen zu kämpfen als die aktuelle Generation Y, auch digitale Eingeborene genannt. Aber, es ist wie es ist. Wenn beispielsweise im Seminarfach in der gymnasialen Oberstufe gefordert wird, dass der Schüler eine elektronisch unterstützte Präsentation seines Themas anfertigt, wenn es schulische Plattformen gibt, über die Lerninhalte abgerufen werden können, dann kann man die Klassenräume auf die Dauer kaum frei von Handys und ihren größeren Artgenossen halten. Denn mit dem Einsatz von White-Boards (elektronische Wandtafeln, die der Lehrer mittel seines Laptops steuert) hat man ja auch längst dem Weg frei gemacht für die neue Lehr- und Lernwelt. Warum sollen die Schüler sich mittels ihrer Geräte dann nicht auch vernetzen? An den Uni schreibt ja auch kaum jemand noch in einer Veranstaltung mit dem Kugelschreiber mit.

Allerdings muss es bei einer Öffnung für die Super-Hirne im Plastik-Body dann auch einheitliche Standards für alle Schüler geben. Dann muss das Tablet/der Laptop von der Schule gestellt werden.

 Handys gehören zum Alltag der Schüler dazu. In den meisten Klassenräumen sind sie allerdings verboten. Foto: dpa/kahnert

Handys gehören zum Alltag der Schüler dazu. In den meisten Klassenräumen sind sie allerdings verboten. Foto: dpa/kahnert

Die Bildungs-Strategen wären gut beraten, sich der Entwicklung zu stellen statt den Schulen den schwarzen Peter zuzuschieben und sie alleine darüber befinden zu lassen, was "sinnvoll" ist im Zusammenhang mit der Natzung elektronischer Medien im Unterricht.

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