Seine Welt ist das Theater

Neunkirchen · Lachen im Theater – gut und schön, findet Gerd Kessler. Doch gegen Klamauk hat er was. Ihm ist Qualität wichtiger. Auch wenn das auf Kosten der Zuschauer-Zahlen geht, gesteht er beim Redaktionsbesuch.

 Aus seinem Fotoarchiv holt Gerd Kessler die Grundlagen für die Programmhefte, auch der Text ist von ihm. Foto: Willi Hiegel

Aus seinem Fotoarchiv holt Gerd Kessler die Grundlagen für die Programmhefte, auch der Text ist von ihm. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Ans Schlüsselerlebnis kann sich Gerd Kessler noch gut erinnern. Es war Mitte der 60er Jahre. Damals gab es noch Spielbegegnungen der einzelnen Theatervereine . Die Vereine traten in Wettstreit. Ähnlich wie beim Sport: Es gab den Bezirksspieltag, der Gewinner fuhr zum jährlichen Bundesspieltag. "Wir hatten gewonnen", erinnert sich Kessler. Sehr glücklich sieht er dabei nicht aus. Denn "das war alles nur Klamauk". Beim Bundesspieltag geschah es dann. "Wir sahen die Blieskasteler und all die anderen. Da haben wir uns regelrecht geschämt." Das sollte nie mehr passieren. Das neue Konzept des Theatervereins Fidelitas war geboren und heißt: Literarisches Theater, gehobenes Niveau. Qualität statt Zuschauermassen wurde zur Devise. Dass das Konzept aufgegangen ist, das zeigen die neusten Erfolge. Die Spieltage gibt es schon lange nicht mehr. Vor zwei Jahren hat der Verband saarländischer Amateurtheater was Neues eingeführt. Seitdem wird alle zwei Jahre der Amateurtheaterpreis verliehen. Den ersten Platz hat beide Male die Fidelitas belegt. Dieses Jahr sogar auch noch den dritten (wir berichteten). Kessler freut es. Ausruhen wird er deshalb nicht. "Es ist immer noch Luft nach oben", sagt er. Er ist ein strenger Regisseur. Aber auch einer, der sehr viel Zeit investiert. Zum Redaktionsbesuch hat er seinen DIN A 5-Ordner dabei. Darin abgeheftet das neue Stück. "Nathan der Weise" wird gerade geprobt. Kessler hat das Stück zusammengestrichen ("früher habe ich mich das nicht so getraut, heute weiß ich: Das Publikum hat nur eine gewisse Aufnahmekapazität"), abgetippt. Aufgeschlagen offenbart sich das Geheimnis des mittlerweile in die Jahre gekommenen Ringbuchs: rechts steht der Text, links die Skizze, wer wann wie wohin zu gehen hat. Ziffern ersetzen die Schauspieler. "Nichts ist schwerer, als die Bühne von einer Seite zur anderen zu überqueren." Kessler muss es wissen - schließlich ist er längst nicht nur Regisseur, er spielt auch selbst, seit der Schulzeit. 1959 stand er erstmals auf der Bühne. Anfang der 60er ging es in der Fidelitas los - bis heute. Zu seiner Zeit als Lehrer unter anderem für Deutsch am Cusanus-Gymnasium in St. Wendel hat der mittlerweile über 70-Jährige eine Theater-AG geleitet. Den nachfolgenden Kollegen greift er auf Anfrage immer mal gerne unter die Arme. Der Theater-Nachwuchs ist ihm wichtig. Deshalb hat er auch schon Workshops gehalten. "Zum ersten kamen 20 Leute, die nächsten waren dann weniger gut besucht." Kessler bedauert das, wünscht sich, dass gerade Jugendliche wieder mehr Interesse fürs Amateur-Theater zeigen. "Das muss ja nicht auf der Bühne sein. Auch für die Technik werden immer Leute gebraucht." Oder fürs Auf- und Abbauen, fürs Bühnenbild.

Momentan ist Kessler selbst Mädchen für alles, hat für all das den Plan. Plakate und Programmhefte gestaltet er - das Grundmuster immer gleich. Eine Auswahl hat er mitgebracht, ebenso Ausdrucke der Bühnenskizze fürs aktuelle Stück. Denn auch das ist eine Herausforderung beim Proben: Gespielt wird im Kuppelsaal des Rathauses, da kann man aber erst eine Woche vor der Premiere rein. Geprobt wird deshalb so lange im Nebenzimmer des Gasthauses Wachdersch.

 Die schwarze Komödie „Galgenhumor“ brachte den Mimen auch noch Platz drei, hier Maike Puhl und Emil Mura. Foto: Willi Hiegel

Die schwarze Komödie „Galgenhumor“ brachte den Mimen auch noch Platz drei, hier Maike Puhl und Emil Mura. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel
 „Lifting“ brachte den ersten Platz. Gerd Kessler in Aktion mit Martina Zimmer (links) und Heike Cupelli. Foto: Anika Meyer

„Lifting“ brachte den ersten Platz. Gerd Kessler in Aktion mit Martina Zimmer (links) und Heike Cupelli. Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

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HintergrundDer Theaterverein Fidelitas Wemmetsweiler hat Spieler im Alter von 20 bis 85 Jahren. Viele leben außerhalb der Gemeinde. Gerd Kessler selbst wohnt schon lange in Hoof. Gastspiele gibt es auch an der ein oder anderen Schule. Gerade für das aktuelle Stück "Nathan der Weise" (Aufführungen Sonntag, 6., Samstag, 12. und Sonntag, 13. Dezember) rechnet man mit Anfragen. Es gibt zwei Stücke pro Jahr: Im Frühjahr und im Winter, jeweils drei Aufführungen. Ab und an gibt es dazwischen mal einen Einakter. Ansonsten ist über Sommer Pause. Gespielt wird literarisches Theater, das aber auch gerne mal was sein darf, was das Publikum zum Lachen bringt. Wer Interesse hat, bei der Fidelitas mitzumachen - auch hinter der Bühne - der kann sich melden bei Gerd Kessler, Telefon (0 68 56) 89 28 28. ji

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