Schwester der Muslime

Neunkirchen · Noch heute bekommt sie Anrufe aus Algerien. Schwester Therese Blum verbrachte einen Großteil ihres Lebens in dem nordafrikanischen Land. Dort initiierte sie die Ausbildung algerischer Frauen zur Krankenschwester. Heute feiert sie ihre 65-jährige Zugehörigkeit zum Orden der Weißen Schwestern.

 Schwester Therese Blum sitzt gemütlich in ihrem Zimmer im Schöffenshof in Neunkirchen/Nahe. Im Hintergrund hängt ein Foto aus Algerien – ihrer zweiten Heimat. Foto: Evelyn Schneider

Schwester Therese Blum sitzt gemütlich in ihrem Zimmer im Schöffenshof in Neunkirchen/Nahe. Im Hintergrund hängt ein Foto aus Algerien – ihrer zweiten Heimat. Foto: Evelyn Schneider

Foto: Evelyn Schneider

Sie sitzt in ihrem Sessel. Er wirkt gemütlich wie die übrige Einrichtung in ihrem Zimmer im Schöffenshof in Neunkirchen/Nahe. Um den Hals trägt Therese Blum ein Kreuz. Sie deutet auf ein Foto an der Wand hinter sich. Es zeigt eine algerische Landschaft, ein Stück zweite Heimat. Denn die 1930 geborene Therese Blum hat 45 Jahre in dem nordafrikanischen Land gelebt. Als Christin - friedlich Seite an Seite mit Muslimen. "Das ging prima", sagt sie. Und diese Botschaft könnte kaum aktueller sein.

Seit 65 Jahren gehört die fast 85-Jährige dem Orden der Weißen Schwestern an. Dieser katholische Orden wurde 1869 unter dem Namen "Missionsschwestern unserer Lieben Frau von Afrika" gegründet.

Als junge Frau von knapp 20 Jahren legte sie am 1. Mai 1950 das ewige Gelübde ab. Zuvor hatte sie eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert. Leben retten, helfen und Gott dienen hätten schon früh eine große Anziehung auf sie gehabt. In dem Saarlouiser Krankenhaus, in dem sie arbeitete, engagierten sich auch Ordensschwestern. "Sie haben von Afrika erzählt. Das und ihre Gemeinschaft haben mir gefallen."
Leben im Atlasgebirge

Und so ging es für die in Saarlouis geborene Ordensfrau schließlich selbst in den Norden Afrikas. Die Weißen Schwestern haben den Auftrag, ihren Glauben zu lehren. Die im Atlasgebirge lebenden Berber wären gerne Christen geworden, wie Therese Blum berichtet. Doch bereits der Ordensgründer habe den Missionierungsauftrag im Zusammenhang mit dem Islam aufgehoben. "Es wäre zu früh gewesen." Heute beschäftigten sich viele mit dem Evangelium.

Schwester Therese arbeitete zunächst in einer kleinen Gesundheitsstation, die Anlaufstelle für Menschen aus 50 umliegenden Dörfern war. "Man musste zum Teil den Arzt ersetzen", erinnert sie sich. Auch Geburten standen regelmäßig an. Für einen Moment mischt sich etwas Trauriges in die Stimme der 84-Jährigen. Sie wird nie den Moment vergessen, als eine Frau, die mit Zwillingen schwanger war, starb. "So etwas darf nie mehr passieren", sagte sie zu sich selbst.

Sie ging zurück nach Deutschland, um eine Ausbildung zur Hebamme zu absolvieren. Gleichzeitig bat sie den Gesundheitsminister um ein Gesundheitszentrum. Das ließ dieser bauen. Für die Ausstattung sorgten die Menschen aus den Dörfern. Schwester Therese führte ein Projekt zum Schutz von Müttern und Kindern ein - schon in der Schwangerschaft kamen die Frauen zur Kontrolle vorbei.

"Die Geburt eines Kindes - das war ein regelrechtes Fest", sagt die Ordensfrau. Es sei aber auch viel gebetet worden. Damit der Säugling gesund auf die Welt käme und später aus Dankbarkeit für das Geschenk des neuen Lebens. Ihre Augen strahlen, wenn sie von den Menschen im Atlasgebirge spricht. Rasch siedelten sich um das Zentrum Bäcker, Metzger und ein Café an. "Unsere kleine Station hat in der Region einiges bewirkt", sagt sie stolz.

Damit dies auch so bleiben würde, beschloss die Saarlouiserin, Krankenschwestern auszubilden. Sie zog durch 50 Bergdörfer, um junge Frauen dafür zu gewinnen. Der erste Kurs startete mit nur fünf Schülerinnen. Beim zweiten waren es bereits 30. Nach 20 Jahren im Atlasgebirge ging es für die Ordensfrau schließlich nach Algier. Dort arbeitete sie in einer Bibliothek.

Algerien, die Menschen dort - das ist Schwester Therese Blum in bester Erinnerung. Und das, obwohl sie auch sehr schwierige Zeiten in dem nordafrikanischen Land erlebte. Da waren zunächst die Befreiungskriege von Mitte der 50er bis Anfang 60er Jahre. Und schließlich verbreiteten Fundamentalisten Angst und Schrecken. "Das hat 1989 angefangen", sagt die Ordensfrau. Zunächst seien Professoren, Künstler und Sportler verfolgt worden. Später auch die Ordensleute. 19 von ihnen sind ermordet worden, berichtet Blum. Sie habe sie alle gekannt, sei bei allen Beerdigungen gewesen. Auch sie selbst geriet in das Visier der Extremisten. Deshalb ging sie für eine Weile zurück nach Deutschland. Lange hielt sie es fern von ihrem geliebten Algerien aber nicht aus.

In dieser Zeit des Terrors sind ihr Zweifel gekommen. Wem könne sie trauen? Doch die Zivilcourage der Algerier vertrieb diese Gedanken rasch. Einmal habe sie einen algerischen Bekannten, mit dem sie im Auto unterwegs war, gefragt, ob sie zu seiner Sicherheit ein Kopftuch tragen solle. Er lehnte ab, denn er habe seine Wahl getroffen, auf wessen Seite er stehe.

Trotz der schweren Zeiten: Sie möchte ihre Mission im Norden Afrikas nicht missen. Der Abschied sei ihr schwer gefallen. Inzwischen lebt sie mit anderen Weißen Schwestern im Altersruhesitz, dem Schöffenshof in Neunkirchen/Nahe. Die Ordensfrauen plaudern gerne über "ihr Afrika", sie lernen voneinander, da sie in verschiedenen Regionen im Einsatz waren. Dass Therese Blum nunmehr seit 65 Jahren im Orden ist, wird sie am heutigen 8. Mai im kleinen Kreise feiern. Mit den Schwestern wird sie beten und gemütlich zusammensitzen. Zelebriert werde meist die 50-jährige Zugehörigkeit zum Orden. Damals schenkten ihr Musilime ein Kreuz aus Korallen und Emaille - selbst gefertigt.

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AUF EINEN BLICKDie Missionsschwestern unserer Lieben Frau von Afrika auch Weiße Schwestern genannt, ist ein katholischer Orden. Gegründet wurde er 1869 von Erzbischof Kardinal Charles Martial Lavigerie von Algier. Das Generalhaus des Ordens ist in Rom, eines der deutschen Regionalhäuser in Trier. Ältere Missionarinnen sind in verschiedenen Häusern der Caritas untergebracht: im Trierer Seniorenzentrum der Barmherzigen Brüder sowie Sulzbach, Auersmacher, Köln-Ehrenfeld und Köln-Klettenberg. Auch der Schöffenshof in Neunkirchen/Nahe in Trägerschaft der Caritas wird seit 2009 den Weißen Schwestern als Ruhesitz zur Verfügung gestellt. evy

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