Hilfe im Kreissozialamt Der Kreis hilft aus der Schuldenfalle

Kreis Neunkirchen · Die Zahl alarmiert: Laut des jüngsten Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform ist in der Stadt Neunkirchen mehr als ein Viertel der Bürger überschuldet. Die SZ sprach mit einem der beiden Schuldnerberater des Landkreises über die Situation.

 Wenn der Gerichtsvollzieher sein Pfandsiegel auf Wertgegenstände klebt, ist das für so manchen Schuldner der Weckruf, sich Hilfe bei Schulnerberatern zu holen. Diese Beratung bietet auch der Kreis Neunkirchen an.

Wenn der Gerichtsvollzieher sein Pfandsiegel auf Wertgegenstände klebt, ist das für so manchen Schuldner der Weckruf, sich Hilfe bei Schulnerberatern zu holen. Diese Beratung bietet auch der Kreis Neunkirchen an.

Foto: dpa/Georg-Stefan Russew

Exakt 25,76 Prozent der rund 48 000 Bürger  von Neunkirchen, der zweitgrößten Stadt des Saarlandes, haben laut Creditreform einen Schuldenberg angehäuft, den sie allein nicht mehr abtragen können. Nur in Saarbrücken ist die Quote der Menschen in der Schuldenfalle noch höher. Der Stadtteil Malstatt ist mit zirka 33 Prozent überschuldeter Bürger trauriger Spitzenreiter im Land.

Stefan Munzlinger und Gerhard Schneider sind als Mitarbeiter des Kreissozialamtes beim Landkreis Neunkirchen dafür zuständig, Hilfesuchenden einen Weg aus ihrer finanziellen Krise aufzuzeigen. 1197 Beratungstermine für Menschen aus dem gesamten Kreis leistete  das Duo (siehe Info) im Jahr 2018, so Stefan Munzlinger im Gespräch mit der SZ. 333 Schuldnerhaushalte, zu denen statistisch jeweils 2,1 Kinder gehören, tauchen in der Auflistung der Beratungsfälle auf. Die meisten Ratsuchenden kommen auf eigene Initiative, von anderen Beratungsstellen oder auf Empfehlung von Angehörigen und Bekannten. „Wenn wir einem Klienten geholfen haben, kommen häufig weitere Anfragen aus dessen Umfeld“, sieht Munzlinger den Mundpropaganda-Effekt. Bei den beratenen Schuldnern halten sich Frauen und Männer die Waage. Die meisten Klienten kommen aus der Altergruppe der 20- bis 50-Jährigen. Fast 40 Prozent, derer, die sich von der Schuldnerberatung eine Entlastung erhoffen, sind ledig,  21 Prozent geschieden, getrennt lebend gut zehn Prozent. Die Verheirateten machen rund ein Viertel der Fälle aus.

In Neunkirchen, wo sich die sozialen Probleme im Landkreis ähnlich wie in  Saarbrücken und Völklingen  für den Regionalverband  bündeln, häufen sich entsprechend die Überschuldungen. In den sechs anderen Städten und Kommunen sehen die Quoten deutlich besser aus. Ob es einen klassischen Verlauf des Weges in die Schuldenfalle gibt? „Nein“, sagt Experte Munzlinger. Jeder Fall sei individuell. Am Anfang der Beratung steht die Bestandsaufnahme, die sich je nach Ordnungsliebe des Klienten schwierig gestalten kann. Wenn erst über Auskünfte der Schufa oder die Banken ein Einstieg in die Liste der Gläubiger möglich ist, kann der Überblick mühsam werden. Für die Schuldnerberater ist es Alltag, dass Leute sich in Dutzende von Verbindlichkeiten verstrickt haben. „Wir hatten schon einen Fall, da waren es über 100 Positionen.“ Um eine Forderungsaufstellung erstellen zu können, werden die Gläubiger angeschrieben, werden Einkünfte und Ausgaben ins Verhältnis gesetzt. Was eigentlich jeder tun sollte, ehe er sich an neue Investitionen wagt.

Erstes Ziel der Schuldnerberater ist eine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien. Gelingt diese nicht, geht die Akte mit allen Angaben zum saarländischen Insolvenzgericht, das in Sulzbach sitzt. Dann kann das Verfahren der Privatinsolvenz oder Verbraucherinsolvenz eingeleitet werden. Das befreit  den Schuldner in höchstens sechs Jahren von allen Schulden, wobei es keine Rolle spielt, wie hoch die  Schulden sind oder wie viele Gläubiger es gibt. Gläubiger müssen bei diesem Verfahren oft auf Ansprüche verzichten. Außerdem bedeutet die Anmeldung der Privatinsolvenz einen sofortigen Schutz vor (weiteren) Pfändungen. „Dank Internet haben sich viele Leute schon vor dem Besuch bei uns entsprechend informiert und wollen am liebsten gleich loslegen mit der Privatinsolvenz, um ihre Finanzen wieder in den Griff zu bekommen“, so Munzlinger. Dann und wann würden jüngere Erwachsene von den Eltern ins Amt „geschleppt“, was wohl eher nicht für die Einsichtsfähigkeit des Überschuldeten spricht.

In der vordigitalen Zeit waren es oft Bestellungen bei Versandhäusern, die in die Misere führten, heute ist das Internet mit seinen unendlichen Verlockungen ein Schuldentreiber. Munzlinger verwendet auch den schönen Begriff der „Ballon-Finanzierung“, will heißen, beispielsweise der Neuwagen-Kunde wird mit niedrigen Einstiegsraten geködert, das dicke Ende kommt spätestens mit der Schlusszahlung. „Oft gerät das finanzielle Gefüge aus dem Leim, wenn der Ehepartner stirbt und die Witwe mit wesentlich weniger Geld zurechtkommen muss“, beschreibt der Berater typische Fälle. Falsche Einschätzung der finanziellen Möglichkeiten („Überstunden werden wie Fix-Gehälter angesehen“) führe auch ins Debakel.  Oft seien auch übersteigerte Ansprüche in Sachen Auto, Wohnung oder Einrichtung Schuld am finanziellen Desaster. Wobei das Nicht-Maßhalten-Können quer durch alle sozialen Schichten ginge.

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