Schüler auf Spurensuche mit Zeitzeuge Edmund Hein

Friedrichsthal. Edmund Hein aus Saarlouis hat eine besondere Begabung: von beliebigen Punkten die Lage von entlegenen Orten bestimmen. Er stand etwa neulich an einem bewölkten Morgen auf dem Hof der Friedrichsthaler Edith-Stein-Schule und konnte mit dem Finger in die Richtung von - beispielsweise - Lebach zeigen. Oder Orscholz

Friedrichsthal. Edmund Hein aus Saarlouis hat eine besondere Begabung: von beliebigen Punkten die Lage von entlegenen Orten bestimmen. Er stand etwa neulich an einem bewölkten Morgen auf dem Hof der Friedrichsthaler Edith-Stein-Schule und konnte mit dem Finger in die Richtung von - beispielsweise - Lebach zeigen. Oder Orscholz.Womöglich hat ein Mann mit einem derart ausgeprägten Orientierungsvermögen auch Geschick darin, in Gefühlswelten Ordnungen auszumachen und Zusammenhänge zu beschreiben. Hein, 72 Jahre alt, war jedenfalls nicht zufällig in Friedrichsthal. Schulleiter Werner Hillen und die 18 Schüler des Projektes "Spurensuche" hatten ihn gebeten, aus den Nachkriegsjahren zu erzählen. Die 14- bis 16-Jährigen wollten erfahren, wie das damals war, 1944, als der Vater Edmund Hein senior, der schon zwei Kriegseinsätze unverwundet überstanden hatte, zum dritten Mal an die Front gerufen wurde und nicht wieder heimkam nach Nalbach. Er fiel zwischen Perl und Thionville, in Hunting, im Zuge der Schlacht um den Orscholz-Riegel. Erst anderthalb Jahre später kam die Todesnachricht per Postkarte aus Berlin.

Edmund Hein junior war ein guter und ohne Umschweife auf Fragen eingehender Berichterstatter, der die Sprache seiner Zuhörer sprach, eine Idealbesetzung für das Projekt, bei dem junge Leute durch die Beschäftigung mit Einzelschicksalen "mehr Sensibilität und Emotionalität entwickeln sollen", wie es Dieter Gräbner beschreibt. Der Journalist und Publizist, viele Jahre als leitender Redakteur im Dienst der Saarbrücker Zeitung, ist Mitinitiator der "Spurensuche". Als Kind überlebte er die Bombennacht von Dresden, sein Vater wurde im Krieg getötet, dem Sohn ist es ein Anliegen, den Wahnsinn des Krieges nie in Vergessenheit geraten zu lassen. Wenn man die Zahl von 55 Millionen Toten nenne, erschrecke das kaum, aber wenn einer wie Hein berichte, dann erreiche es die Menschen viel direkter, so Gräbner. Welche politische Einstellung der Vater gehabt habe ("unpolitisch, ein Mitläufer"), wie sich die Mutter Ida mit dem Sohn durchgeschlagen habe ("gut, sie war Näherin und wir hatten Kontakt zu einem Bäcker") und wie er die Wiederheirat der Mutter erlebt habe ("es war okay, ich war acht Jahre alt"), das und vieles mehr wollten die Schüler wissen.

Fazit eines Kriegskindes

Edmund Hein schilderte, dass er am 8. August 1959 unter etlichen Mühen erstmals das Grab des Vaters auf dem Friedhof von Andilly besucht habe - und es bis heute oft tue. "Ich bin mit über 70 ergriffener als mit 18", so der ehemalige Politiker. Er hatte eine Zeichnung von Käthe Kollwitz ("Die Überlebenden") sowie Fotos und Kalendereintragungen der Mutter fotokopiert. Die Bilder sagten mehr als tausend Worte: Haltet zusammen, seid solidarisch, bewahrt den geschichtlich-politischen Überblick. Und das Fazit des Kriegskindes war eindeutig: "Niemals wurde in der Familie auf die Amis geschimpft, sondern es hieß, dass der Vater durch Hitler gestorben sei." Zwei Stunden hörten die jungen Leute gebannt zu. Das saarländische Pilotprojekt "Spurensuche" des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) hat das Ziel, das Kriegsgeschehen mit regionalgeschichtlichem Bezug darzustellen: "Geschichte findet vor der Haustür statt, nicht nur in Berlin und Moskau", brachte es Friedrich-Wilhelm Yorck-Keller auf den Punkt, der Jugendreferent des VDK Saar, der das Gespräch protokollierte. wp

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort