Nur wenige Männer Neunkircher Mekka für Nadelkünstlerinnen

Neunkirchen · Nach zwei Jahren Pause stand die Christuskirche Neunkirchen wieder ganz im Zeichen von Patchwork und Quilts.

 Gundula Kelley-Delisio zeigte an ihrem Stand, wie man aus Kronkorken kleine hübsche Untersetzer fertigt.

Gundula Kelley-Delisio zeigte an ihrem Stand, wie man aus Kronkorken kleine hübsche Untersetzer fertigt.

Foto: Anja Kernig

Hier wird mit allen Tricks geschafft! Gundula Kelley-Delisio jedenfalls weiß, wie man Ehemänner für das zeitaufwändige Hobby ihrer besseren Hälften begeistert. Stichwort: Kronkorken. Trinken für den guten Zweck quasi. Verwandelt doch ihr Upcycling-Projekt schlichte Metall-Verschlüsse in fantasievolle Untersetzer. Man nehme einen Stoffrest und schneide mit dem Cutter einen exakt acht Zentimeter großen Kreis heraus. Dieser wird später dem Korken wie ein Cape übergezogen und festgezurrt. Davor gilt es „Einreihen. Mit Kante“, wie Gundi betont. „Damit es schön sauber ist.“ Aufmerksam beobachtet ein knappes Dutzend Frauen jeden ihrer Arbeitsgänge. „Das könnt ihr ja alle schon.“ Womit die Händlerin aus Baumholder vermutlich Recht hat. Pilgerten an Fronleichnam doch vor allem Liebhaberinnen des gepflegten Nadelstichs in die Christuskirche.

„Gundis Quilt Heaven“ gehört zu den Stamm-Ausstellerinnen, die jedes Mal „viel Liebe und Arbeit“ investieren, um ihre Waren ansprechend und geschmackvoll zu präsentieren. Sechs Stunden habe sie mit ihrem Team am Vortag aufgebaut, erzählt Gundula Kelley-Delisio. Das Auge kauft schließlich mit. Außer schön ist praktisch immer ein gutes Verkaufsargument. So kamen die Besucherinnen nicht umhin, das bewegliche Nähboard von Jana Jandejsková zu bewundern. Auf Rollen gelagert, ermöglicht die von ihrem Mann entwickelte Spezialanfertigung komfortables Quilten sogar mit Gipsarm. Dreimal war die Koryphäe der Patchwork-Szene schon in Neunkirchen zu Gast, trotz Anfahrtsweg aus Prag. Mit dabei hatte sie in Tschechien produzierte Stoffe, eine prima Ergänzung zu den szenedominierenden amerikanischen Produkten.

Die Stimmung war prächtig, endlich konnte man sich wieder unter Gleichgesinnten austauschen und beeindruckende Quilts aus der Nähe begutachten, ob mit Hundertwasserhaus-Motiven oder das ausgefallene Exemplar mit morbidem Charme, das eine lustige Gesellschaft von Gerippen vereint. Beim Flohmarkt der gastgebenden Turmquilterinnen gab es Schnäppchen ab zehn Cent, aber auch aufwändig gearbeitete Umhängetaschen, Kränze, Brotkörbe, Mäppchen und jede Menge anderer handgearbeiteter Werke. „Stoff auseinander schneiden und in kleinen Stücken wieder zusammen nähen, das ist Patchwork“, bringt es Angelika Solf auf den Punkt. „Ein schönes Hobby, gerade auch während der Corona Zeit.“ Ausgetauscht habe man sich damals einfach per Whatsapp-Gruppe, erzählt die Wellesweilerin.

Sie selbst ist eine Spätberufene. „Ich hatte früher mal genäht, aber das komplett aufgegeben und alles weggegeben“, erzählt die 74-Jährige. „Dann bin ich hier her gekommen“ und schwupp, war die damals 63-Jährige angefixt. „Die Freundlichkeit der Frauen hat es ausgemacht“, betont Angelika Solf. „Es gibt keinen Neid in der Gruppe, jeder hilft jedem. Das ist das Wichtigste.“ Angefangen hat sie mit einem Nadelkissen, inzwischen gehen 20 Quilts auf ihr Konto. Einen großen Teil davon hat sie verschenkt. „An Menschen, die das zu würdigen wissen.“ Der komplette Erlös aus Flohmarkt, Kaffee & Kuchen und Tombola kommt traditionell „Kinder in Armut“, einem Fördertopf der Gemeinde, zugute.

„Das klingt immer etwas seltsam“, weiß Pfarrer Uwe Schmidt. Dabei geht es im Wesentlichen um Freizeitmaßnahmen, die man finanziell schlechter gestellten Familien ermöglicht: „Jeder kann mitfahren“, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Schmidt selbst gehörte zu den wenigen männlichen Bewunderern der Stoffkunstwerke in der Kirche. „Es gibt wenige Männer, die quilten“, bedauert Gertrud Jost, Leiterin der einmal im Monat im Kirchturm zusammen kommenden „Turmquilt“-Gruppe. Der gehören aktuell rund 20 Frauen im Alter ab 40 Jahren aufwärts an. Der Hauptpreis der Tombola, ein großer farbenfroher Vogel-Quilt, ist ihr Gemeinschaftswerk. Jede hat das gute Stück eine Zeit lang mit nach Haus genommen, um eine Weile daran zu nähen, erzählt die Nachfolgerin von Inge Werner. „Es ist ein langer Weg, bis sowas fertig ist. „Da denkt man nicht in Tagen, sondern in Monaten.“

Wer schnelle Resultate bevorzugt, kann sich immer noch an Gundis Kronkorken-Untersetzern versuchen.

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