Huhn, Hund, Ziege „Brückenbauer“ mit Fell und Federn

Wellesweiler/Fürth · Wie können Tiere bei sozialer Arbeit mit Menschen helfen? Ein Besuch bei Netzwerk Sozial in Wellesweiler.

 Für den Hahn und seine sechs Hühner war es beim Fototermin zu kalt draußen, deshalb durften sie nicht mit aufs Bild. Deshalb „nur“ von links Christel Mathieu, Manuela Graf und Stefanie Weber vom Netzwerk Sozial mit den Ziegen Rosa und Vera und den Hunden Jette und Leila.

Für den Hahn und seine sechs Hühner war es beim Fototermin zu kalt draußen, deshalb durften sie nicht mit aufs Bild. Deshalb „nur“ von links Christel Mathieu, Manuela Graf und Stefanie Weber vom Netzwerk Sozial mit den Ziegen Rosa und Vera und den Hunden Jette und Leila.

Foto: Jörg Jacobi

Am Ende des Pressetermins liegt der Duft von köchelnder Gemüsesuppe in der Luft. 90 Minuten zuvor waren dafür fleißige Hände rund um den Tisch beschäftigt mit Schnibbeln von Möhren, Sellerie und Lauchzwiebeln. Dabei ließ sich gut plaudern. Seit Oktober hat Netzwerk Sozial (siehe „Info“) seine Räume in der Hirschbergsiedlung 20 in Wellesweiler (vorher Wellesweiler Straße in Neunkirchen).  Zweimal die Woche bieten die Netzwerker hier Beratung und Unterstützung  für Menschen in schwierigen Lebenslagen an. Dann  wird auch zusammen gefrühstückt, gekocht, gespielt, gesproocht. Verantwortliche Macher des Projektes sind Christel Mathieu (49), kommt aus der Heilerziehungspflege, und Manuela Graf (41), kommt aus der stationären Pflege. 2011 haben sie Netzwerk Sozial ins Leben gerufen. Wichtiger Bestandteil ihres Programms, quasi Teammitglieder, sind Helfer mit Fell und Federn. Hunde, Ziegen und Hühner sehen und nutzen sie als ihre „Brückenbauer“ zu Menschen, die kaum oder gar nicht mehr zu erreichen sind, sagen Mathieu und Graf: „Tiere begegnen Menschen unvoreingenommen.“

Am Vormittag des SZ-Besuchs hat Leila „Dienst“. Der drei Jahre alte Mischling gehört zu den drei Hunden von Manuela Graf. Christel Mathieu hat vier. „Leila stabilisiert und beruhigt die Gruppe“, hören wir. Die Hündin begrüßt freundlich jeden, der reinkommt, legt zwischendurch immer mal die Schnauze auf Frauchens Schoß: „Hab ich das gut gemacht?“ Die Hunde bewirken hier aber noch mehr, sagen Graf und Mathieu: Die Gruppe lernt aufpassen, dass keiner wegläuft, dass die Tiere Wasser haben. Sie lernt Regeln einzuhalten (Tier und Mensch nicht bedrängen), an die Hygiene (Händewaschen) zu denken. Und sie kommt über die Hunde ins Gespräch.

Die Menschen, um die sich das Netzwerk kümmert („unsere Leute“), stecken in existenzbedrohenden Lebenssituationen, sagen Mathieu und Graf. Wohnungsnot, Vereinsamung, Krankheiten, Drogen. Sie stehen am Rande oder auch außerhalb der Gesellschaft. Der Aufwand ist verschieden. Einer braucht vielleicht nur eine Stunde im Monat Hilfe, eine andere womöglich sechs Stunden die Woche. Netzwerk Sozial sieht sich auch nicht als Konkurrenz unter den Anbietern sozialer Dienstleistungen, sondern als Teil eines großen Netzwerks.

Soziale Arbeit mit Tieren könne helfen  bei Depressionen, Demenz, Ängste und Phobien, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen, Psychosen, schweren geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen, Auto- oder Fremdaggressionen, listet Netzwerk Sozial auf. Ziegen (zurzeit 25) und Hühner (zurzeit ein Hahn mit sechs Frauen) leben aktuell im Außengelände des Netzwerks in Fürth. Laufenten gab es auch mal, aber die sind dem Fuchs zum Opfer gefallen. Auch auf diesem Gelände sind „ihre Leute“ eingebunden, Ausflüge, Spaziergänge, aufbauen der Weidezäune, versorgen der Tiere. Und vielleicht auch Eddy auf den Arm nehmen, „ein Zwerghuhn, ein kleiner Akrobat“. Eier der scharrenden Schar gibt auch mal zum Frühstück in der Hirschbergsiedlung. Der Umgang mit den Tieren gibt dem Tag Struktur, die Menschen schlüpfen in eine andere Rolle, erfahren sich neu, erleben Nähe und Wärme, sagen Mathieu und Graf. Menschen, die ausgegrenzt, eingeschränkt leben, übernehmen Aufgaben. Das gibt ihnen auch was zurück. Die Gruppe wächst zusammen.

 Stefanie Weber knuddelt die Hündin Leila.

Stefanie Weber knuddelt die Hündin Leila.

Foto: Claudia Emmerich

„Wir schauen nicht auf das, was unsere Leute nicht können, sondern auf das, was sie können“, sagen Graf und Mathieu. Ihr Ziel: „Ihren Leuten“ mit Hilfen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Auf diesem Weg müsse man es auch aushalten, dass es zwischendurch mal nicht so gut gehe, dann aber doch wieder weitergehe.

„Es ist unterstützende Hilfe, keiner schreibt mir was vor. Das finde ich gut“, sagt Stefanie Weber, seit zwei Jahren  mit dem Netzwerk verbunden. Auch sie knuddelt gern Leila und sagt spontan für den SZ-Fototermin mit Hund, und Ziege zu.

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