Marsch bis nach ganz oben

Neunkirchen · In einer neunteiligen Serie stellt die SZ die Bundestagsabgeordneten aus dem Saarland vor. Heute: Heidtrud Henn (SPD) aus Neunkirchen-Wellesweiler.

 Heidtrud Henn im Bundestag: Die gelbe Schleife am Revers drückt ihre Verbundenheit mit Soldaten im Einsatz aus.Foto: Bundestag/Melde

Heidtrud Henn im Bundestag: Die gelbe Schleife am Revers drückt ihre Verbundenheit mit Soldaten im Einsatz aus.Foto: Bundestag/Melde

Foto: Bundestag/Melde

Drei Minuten. So viel Zeit hatte Heidtrud Henn vor zweieinhalb Jahren, um zu überlegen, ob sie mit 50 Jahren noch einmal etwas völlig Neues in ihrem Leben wagen will. Bis dahin hatte Henn als evangelische Diakonin in der Altenpflege gearbeitet. Und plötzlich wurde sie von ihrer Partei, der SPD , gefragt, ob sie nicht für den Bundestag kandidieren wolle. Der Regional- und Geschlechterproporz in der Saar-SPD erforderte es, dass für Platz drei der Landesliste eine Frau aus dem Kreis Neunkirchen kandidiert. So kam die Lokalpolitikerin aus Neunkirchen-Wellesweiler auf die Liste, ohne allzu große Chancen. Als in der Wahlnacht die Stimmen ausgezählt waren, hatte Henn völlig überraschend den Sprung in den Bundestag geschafft.

In Berlin wollte Henn unbedingt in den Verteidigungs- und in den Petitionsausschuss, beides sei "nah an den Menschen", sagt die 53-Jährige. Im Verteidigungsausschuss hat sie sich als Neuling eine gewisse Sonderstellung erarbeitet. Schon nach kurzer Zeit hatte sie einen kurzen Draht zum ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr , Generalinspekteur Volker Wieker. Der kümmert sich mittlerweile höchstpersönlich darum, wenn Henn sich mit ihren Anliegen meldet. Ein mit der Bundeswehr-Bürokratie vertrauter Offizier aus dem Saarland sagt anerkennend: "Wenn sie ein Problem identifiziert hat, das sie für die Soldaten lösen kann, marschiert sie damit bis zur Verteidigungsministerin."

Ein solches Problem ist aus Henns Sicht zum Beispiel, dass es in der Bundeswehr bislang keine elektronische Patientenakte für Soldaten gibt. Dass bei Auslandseinsätzen noch die Papier-Krankenakten ordnerweise mitgenommen würden, sei "wie im Mittelalter". Mit Ministerin Ursula von der Leyen (CDU ) habe sie darüber schon gesprochen, die Zusammenarbeit sei gut. Ein wichtiges Anliegen ist Henn auch, die psychische Betreuung von Soldaten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), Depression und Burn-out zu verbessern. "Die Seele der Soldaten muss gepflegt werden", sagt sie.

Henns Bezug zur Bundeswehr kommt aus ihrer Kindheit. Sie wuchs bei Idar-Oberstein auf. Das Militär war in der Gegend stark präsent, nicht nur in Idar-Oberstein, auch in Baumholder und Birkenfeld. Die Kampfjets seien früher so tief geflogen, dass sie den Piloten habe winken können. Ihr Faible fürs Militär kann Henn bis heute kaum verbergen. "Ich finde Panzer faszinierend", sagt sie. Die seien "schwer, schnell und wendig".

Henn sagt, sie wäre früher gerne zur Bundeswehr gegangen. Aber Frauen wurden damals, mit Ausnahme von Ärztinnen und Apothekerinnen, nicht genommen. Inzwischen gibt es 19 000 Frauen in der Bundeswehr - und Henn ist im Verteidigungsausschuss für das Thema Frauen in der Bundeswehr zuständig. Außerdem kümmert sie sich um den Sanitätsdienst, die Militärseelsorge und den Wehrbeauftragten. Von den kniffligen Rüstungsfragen lässt sie die Finger. Die seien zwar wichtig, sagt sie. "Aber das sollen andere machen. Ich kümmere mich darum, dass es den Soldaten besser geht."

Für ihren Dienst hätten die Soldaten nach Henns Ansicht bessere Arbeitsbedingungen verdient. "Ganz schlimm" finde sie den Zustand mancher Kasernen. Da seien die Soldaten ja im Auslandseinsatz in ihren Containern besser untergebracht als zu Hause auf ihrer Stube. In einem Unterkunftsgebäude in der Zweibrücker Kaserne, berichtet die Abgeordnete, seien die Duschen so heruntergekommen, "da würde ich nicht mal mit Gummistiefeln drin duschen". Dass die Diensthunde der Fallschirmjäger von Merzig nach Zweibrücken umziehen sollen, sei ebenfalls nicht in Ordnung, denn in Merzig seien die Hunde deutlich besser untergebracht. Mit beiden Anliegen, sagt Henn, habe sie den Generalinspekteur befasst.

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Zur PersonHeidtrud Henn, Jahrgang 1962, absolvierte eine Ausbildung zur Floristin ("als Kind mein Traumberuf") und schulte 1996 zur Altenpflegerin um. 2007 ließ sie sich zur Diakonin ausbilden. Diakone nehmen in der evangelischen Kirche unter anderem seelsorgerische und pflegerische Aufgaben war. Henn war Leiterin der Tagespflege eines Altenheims und Diakonin bei der Seniorenhilfe der Kreuznacher Diakonie.Politisch ist Heidtrud Henn eine Spätstarterin. In die SPD trat sie erst 2003 ein. 2009 wurde sie in den Neunkircher Stadtrat und den Wellesweiler Ortsrat gewählt. Seit 2010 leitet sie den SPD-Ortsverein Wellesweiler. kir

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