Margarete Palz Die Elemente erwachen ganz poetisch

Neunkirchen · Mit Tanz, Musik und Rezitationen erlebten die Besucher der Städtischen Galerie einen ungewöhnlichen Abend inmitten der Kunst von Margarete Palz.

 Die Tänzerinnen um Charles Bankston verliehen den Kostümen Ausdruck.

Die Tänzerinnen um Charles Bankston verliehen den Kostümen Ausdruck.

Foto: Jörg Jacobi

Es ist alles da: das Runde, das Eckige, das Spitze, das Kantige, das Geschmeidige, das Starre, das Fließende – getaucht in Transparenz und Farbe, glänzend, schillernd, opulent. Die Fotopapier-Kostüme von Margarete Palz sind nicht ganz von dieser Welt und doch so irdisch. Fast archaisch wirken die voluminösen, in den Raum greifenden Hüllen. Natürlich wollen sie getragen, ausgeführt werden – doch es ist eine heikle Mission. Wieviel Bewegung vertragen diese Kunstwerke? Das war eine der Fragen, die bei einer der ungewöhnlichsten Veranstaltungen, die das Kult-Kulturzentrum und sein Vorfahr, das Bürgerhaus, je erlebt haben, am Samstagabend im Raum standen.

Klar war dagegen schon vorab: Nicole Nix-Hauck, Leiterin der städtischen Galerie, landet direkt den nächsten Coup – nach der Keramik-Schau von Hannelore Seiffert. So wenig nachvollziehbar das ist: Bisher hatte Margarete Palz noch nirgendwo die Gelegenheit, so viele ihrer preisgekrönten Kreationen in einem adäquaten Rahmen zu zeigen. Hier finden die 41 Gewänder einen großzügig bemessenen Ort vor, der jeder der bis zu 2,50 Meter großen Figurinen angemessen Raum lässt. Den vorläufigen Höhepunkt der noch bis 28. April laufenden Ausstellung bildete die Wort-Tanz-Klang-Collage „Erwachen der Elemente“.

Deren Start kam seltsam trocken, sonor rasselnd daher. Denn so hört es sich an, wenn Klangkünstler Bernd Wegener geschälte Weidenruten über Wände schrammen lässt, über Stühle, den Boden und Gliedmaßen überrascht lächelnder Zuschauer. „Theater unten und Theater oben“, hob Gerhard Kaiser ungerührt an. Während sich die erste zum Leben erweckte Tanzskulptur scheu und vorsichtig vorwärts tastete, rezitierte der Germanist fast nüchternen Tonfalls Kästners „Der Lenz verschiebt seine Premiere“.

Wie passend. Hatte man doch etliche Gäste wieder nach Hause schicken müssen, auf die Kapazitätsgrenze des Foyers verweisend. „Wir müssen die Brandschutzauflagen einhalten“, betonte Markus Müller, Leiter der gastgebenden Neunkircher Kulturgesellschaft. Zugleich staunte er: „So viele Besucher gab es noch nie“ bei vergleichbaren Veranstaltungen. Ein Luxusproblem, dem alle Beteiligten mit der besten aller Möglichkeiten begegneten: schnell einen zweiten Termin aus dem Hut zaubern. Der wurde umgehend für den 28. April festgezurrt. Dann, am letzten Sonntag im April, wird die Finissage ähnlich gestaltet. Aber keinesfalls identisch – wie auch, wenn in einem fort improvisiert wird.

Fußend auf der Gesamtkonzeption von Barbara Maus und Margarete Palz, hatte Kaiser Prosa ausgewählt: gefühlvolle, an Bildern reiche Frühlings-Lyrik namhafter Autoren wie Rilke oder Rose Ausländer, die er effekt- und kraftvoll in die Welt stieß wie jene, „Aprilwetter“, von Martin Greif: „Sprühregen! Jetzt der Himmel blau. Und jetzt von Wolken überzogen. Nun lachend über allem Grau im Wunderschein der Regenbogen.“ Wegener oblag die percussive Umsetzung, wozu er Baumarkt-Inventar genauso nutzte wie Tischtennisbälle oder „echte“ Instrumente à la Handpan. Das kann melodisch sein oder auch nicht, blieb aber stets originell und atmosphärisch dicht. Etwa, wenn der Saarbrücker Musiker mit leis ironischem Lächeln ein Podest besteigt und von oben zarte Papierblätter Stück für Stück nach unten segeln lässt. Was nicht wirklich hörbar ist, aber so wunderbar zu Hilde Domins „Linguistik“ passt: „Erfinde eine neue Sprache, die Kirschblütensprache, Apfelblütenworte, rosa und weiße Worte, die der Wind Lautlos davon trägt“.

Da hindurch, durch Geräusche und Klänge und Silben und Sätze, schritten die fünf Tänzerinnen um Charles Bankston. Sie verliehen den Kleidern eine Würde, die auf ihre Trägerinnen zurück strahlte. Bankston selbst schlüpfte mehrfach in Tanzskulpturen, gab mal den Maya-Gott, mal den Gockel, mal den dandyhaften Draufgänger. Alles passte, alles stimmte – wofür sich die Zuschauer am Schluss stehend applaudierend bedankten. Einen „phantastischen Abend“ hatte Nicole Nix-Hauck vorab gewünscht. Und genau das ist es geworden.

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