Terrorangst in der ägyptischen Heimat Hier bauen sie mit Herzblut um und auf

Neunkirchen · Kopten aus unserer Region feiern am 6./7. Januar ihr erstes Weihnachtsfest in der Pauluskirche Neunkirchen.

 Im Frühjahr 2018 hat die koptische Gemeinde in Deutschland die Pauluskirche in der Schlossstraße am Oberen Markt gekauft. Die evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen hatte sie 2016 aufgegeben. Derzeit steht ein Gerüst im Kircheninnern. Auf die Wand hinter dem Altar soll ein Jesusbild kommen. Auch eine „Tür“ zwischen Altarraum und Kirchenraum fehlt derzeit noch. Eine Powerpoint-Präsentation (links) spielt Texte auf Koptisch, Arabisch und Deutsch ein.

Im Frühjahr 2018 hat die koptische Gemeinde in Deutschland die Pauluskirche in der Schlossstraße am Oberen Markt gekauft. Die evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen hatte sie 2016 aufgegeben. Derzeit steht ein Gerüst im Kircheninnern. Auf die Wand hinter dem Altar soll ein Jesusbild kommen. Auch eine „Tür“ zwischen Altarraum und Kirchenraum fehlt derzeit noch. Eine Powerpoint-Präsentation (links) spielt Texte auf Koptisch, Arabisch und Deutsch ein.

Foto: Claudia Emmerich

Der SZ-Besuch wolle sich doch nicht schon verabschieden? Die Messe der koptischen Gemeinde an diesem Adventssonntag in der Neunkircher Pauluskirche ist vorbei. Eindrücke und Informationen sind gesammelt. Nein, meint Vater Kyrillus Ghobrial, jetzt solle der Gast doch bitte noch mitkommen, einen Kaffee trinken, etwas mit ihnen zusammen essen.

Im Gemeindesaal eine Treppe tiefer haben die Frauen Tische gedeckt: Es gibt Arabisch, selbst zubereitet: Ful (Saubohnen), Falafel (fritierte pürierte Kichererbsen oder Saubohnen) mit Tahina (Sesampaste) sowie Salat. Zudem eine Platte Basbousa (Grießkuchen mit Sirup). Messe und gemeinschaftliches Mahl – das gehört bei den orthodoxen Christen aus Ägypten immer zusammen.

Im Frühjahr diesen Jahres hat die koptische Gemeinde in Deutschland die bereits 2016 von der evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen aufgegebene Pauluskirche mit Pauluszentrum in der Schlossstraße am Oberen Markt gekauft (wir berichteten).

Neunkirchen soll ein Angebot für die Kopten im südwestdeutschen Raum werden. 16 Gemeinden, erzählen sie beim Essen, gibt es inzwischen in Deutschland. Genaue Zahlen über die Köpfe wissen sie nicht. Geschätzt über Zehntausend jedenfalls. Steigend. In ihrer ägyptischen Heimat im Alltag diskriminiert, von islamistischem Terror bedroht – das hat viele der heutigen Nachfahren der Alten Ägypter in die Flucht getrieben. Aktuell leben geschätzt rund neun Millionen Kopten (zehn Prozent der Gesamtbevölkerung) im Nil-Staat, neunzig Prozent sind Muslime. Die koptische Kirche gilt als älteste Kirche des Christentums. Mitte der 1970er-Jahre entstand im hessischen Kröffelbach ein erstes Zentrum der koptischen Kirche in Deutschland, erste Mönche aus Ägypten siedelten dort an.

Aus Kröffelbach ist an diesem Adventssonntag auch Vater Kyrillus angereist, um die Messe zu zelebrieren (mit dem Rücken zur Gemeinde). Der Priester hat das Heilige Brot für die Kommunion aus dem Kloster mitgebracht.

In Neunkirchen kümmern sich vor allem die Familien von Gamil und Moheb Malek Israil um die Gemeinde, die Umgestaltung der Kirche, den Aufbau eines Gemeindelebens. Das Außengelände wurde umzäunt, das Innere der Kirche hat Baustellen-Charakter. Die Orgel haben sie verkauft. Der Altar ist ein Stück nach hinten gerückt. Ein Gerüst ragt auf. Auf die Wand soll mal ein großes Jesusbild kommen. Derzeit muss noch ein kleines, aufgestelltes Bild hinter dem Altar reichen. Was noch fehlt, wird uns weiter erklärt, ist auch die für eine koptische Kirche typische Wand mit „Königstür“ zwischen Altarraum und Kirchenraum. Symbolisch eine Trennung von Himmel und Erde. Der Priester öffnet vor dem Wortgottesdienst den Vorhang vor der „Königstür“. In der Pauluskirche bauen sie mit Herzblut um und auf.

An diesem Adventssonntagmorgen reichen zwei Hände, um die Gottesdienstbesucher zu zählen. Liegt am Wetter, an Schnee und Eis, heißt es. Auch Vater Kyrillus hat drei Stunden von Kröffelbach hierher gebraucht. „An anderen Sonntagen sind schon so um die 50 Menschen hier“, berichtet Martina Natella (29). Sie ist katholische Italienerin. Und sie ist verlobt mit dem Kopten Roumany Ismail (26). Er stammt aus einem Vorort Kairos, floh als Kind aus Ägypten, beantragte Asyl, hat inzwischen den deutschen Pass. Damit kann er auch wieder die Reise in die Heimat riskieren. Im Mai wird Hochzeit gefeiert. Erst nach katholischem Ritus, anschließend in koptisch-orthodoxer Zeremonie. Martina Natella hat den altorientalischen Ritus auch erst über Roumany kennengelernt: „Kopten glauben ohne Kompromisse.“

Zweieinhalb Stunden an diesem Tag dauert der Gottesdienst – Vormesse (Priester und Diakone noch in Schwarz), Anbetung und Eucharistie (Priester und Diakone in Weiß). Viel Weihrauch gehört dazu. Musik der Rhythmusinstrumente Zimbel und Triangel. Außer den Lesungen und der Predigt ist die Liturgie ein gesungener Ritus, sich wiederholender hymnischer Wechselgesang zwischen Priester, Diakonen und Volk.

Eine Powerpoint-Präsentation zeigt der Gemeinde die Texte dreisprachig: koptisch, arabisch, deutsch. Kopten kennen nur die Mundkommunion. Die Brotstücke teilt ausschließlich der Priester aus. Frauen sitzen vom Altar aus gesehen links, die Männer rechts. Kirchliche Ämter sind den Männern vorbehalten. Frauen betreten auch nicht den Altarraum.

Jetzt begehen die Kopten ihr erstes Weihnachtsfest in der Pauluskirche. Die Christen vom Nil feiern ihre Heilige Nacht vom 6. auf den 7. Januar (siehe „Info“). Die Messe beginnt Sonntag, 18 Uhr. Sie wird Stunden dauern. Gerade auch an Weihnachten gehen die Gedanken der Exil-Kopten in ihre Heimat, bestätigen sie uns beim Essen. Wird es wieder Anschläge geben? Hören sie wieder von jemandem, den sie kennen, der unter den Opfern ist?

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