Koch lernen? Nein danke!

Kreis Neunkirchen. Auf den ersten Blick passt es fast: 790 freie Ausbildungsstellen stehen 780 Bewerbern im Raum Neunkirchen gegenüber. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft trotzdem eine große Lücke. Denn Lisa, Marko und Co. wollen lieber im Büro oder in der Autowerkstatt eine Ausbildung beginnen als am heißen Herd zu stehen oder abends zu bedienen

 Kochen mit Fernsehkoch Tim Mälzer macht Jugendlichen schon Spaß. Aber wenige wollen Koch oder Restaurantfachkraft lernen. Dabei gibt es auf dem Ausbildungsmarkt viele freie Stellen. Foto: dpa

Kochen mit Fernsehkoch Tim Mälzer macht Jugendlichen schon Spaß. Aber wenige wollen Koch oder Restaurantfachkraft lernen. Dabei gibt es auf dem Ausbildungsmarkt viele freie Stellen. Foto: dpa

Kreis Neunkirchen. Auf den ersten Blick passt es fast: 790 freie Ausbildungsstellen stehen 780 Bewerbern im Raum Neunkirchen gegenüber. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft trotzdem eine große Lücke. Denn Lisa, Marko und Co. wollen lieber im Büro oder in der Autowerkstatt eine Ausbildung beginnen als am heißen Herd zu stehen oder abends zu bedienen."Von den Zahlen her ist es ausgeglichen", berichtet Gundula Sutter auf SZ-Anfrage. Doch die Geschäftsführerin der Bundesagentur für Arbeit Saarland weiß, woran es hapert: Unter den Top 10 der Berufe sind bei den Jungs Industrie- und Kfz-Mechaniker, Kaufmann und Maler/Lackierer oder Metallbauer zu finden. Das Gros der Mädchen möchte Verkäuferin, Bürokauffrau, Friseurin oder Einzelhandelskauffrau werden.

Unattraktive Arbeitszeiten

Schwierig sei es, sagt Gundula Sutter, die 42 freien Stellen als Koch/Köchin oder die 27 Stellen für angehende Restaurantfachleute im Raum Neunkirchen zu besetzen. Dies kann André Folschweiller, Chef des Neunkircher Restaurants Grill au bois, nur bestätigen. Früher habe er sechs Auszubildende jedes Jahr gehabt, jetzt sei es gerade mal eine junge Frau in der Küche und kein einziger Auszubildender im Service. Und die angehende Köchin habe er nur angenommen, weil sie den Beruf wirklich machen wolle. Zu oft sei er in den vergangenen Jahren enttäuscht worden. "Die Bereitschaft, zu lernen und Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, die nicht so angenehm sind, ist extrem gesunken", klagt der Gastronom. Enttäuscht ist er auch vom Niveau der Schulabgänger.

Defizite bei den Hauptschülern vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich hat auch der Leiter des Haupt- und Personalamtes der Stadt Ottweiler, Helmut Ries, festgestellt. So schreibt die Stadt Ottweiler jedes Jahr eine Ausbildungsstelle im Garten- und Landschaftsbau aus, um Hauptschülern, die es sehr schwer hätten, überhaupt eine Stelle zu finden, eine Chance zu geben. Doch wenn es beim Aufnahmetest darum gehe, den Inhalt einer Fläche zu berechnen, was wichtig bei Neupflanzungen sei, oder Kilogramm in Gramm umzurechnen, hapere es bei den Bewerbern.

Die Stadt Ottweiler bietet auch jedes Jahr zwei Stellen für das Anerkennungspraktikum im Bereich Erziehung an sowie alle drei Jahre eine Ausbildung als Kauffrau/Kaufmann für Freizeit- und Tourismus. "Obwohl wir diese Stelle regional begrenzt ausschreiben, ist hier die Nachfrage mit 45 Bewerbungen sehr hoch", sagt Ries. Noch nicht einmal zehn Schulabgänger haben sich jedoch für die Ausbildung zum Fachangestellten für den Bäderbetrieb, die ebenfalls alle drei Jahre angeboten wird, beworben. Auch beim Garten- und Landschaftsbau ist mit vier bis sechs Bewerbern die Auswahl für die Stadt Ottweiler sehr gering.

Fehlende Ausbildungsreife

Zur Realität auf dem Ausbildungsmarkt gehört, dass viele Jugendliche nicht "ausbildungsreif" sind. In Neunkirchen gibt es verschiedene Träger von Bildungsarbeit, die diese Defizite auszugleichen versuchen. Ihnen werden Jugendliche von der Agentur für Arbeit zugewiesen, die auf dem freien Ausbildungsmarkt keine Chance haben.

Ein Mitarbeiter einer Einrichtung, der ungenannt bleiben möchte, zählt die Gründe für das sinkende Bildungsniveau auf: "Die Interessen der Jugendlichen sind vielfältig, nämlich der Computer und das Smartphone. Nur die Schule zählt nicht dazu."

Hintergrund

Nach einer aktuellen Erhebung des Landkreises werden rund 1830 Schüler die weiterführenden Schulen im Landkreis Neunkirchen nach diesem Schuljahr verlassen, sollten sie ihren Abschluss schaffen. Darunter sind 327 Schüler im Hauptschulzweig und 410 Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss. Im Abiturjahrgang sind 451 Schüler. Die Förderschulen verlassen 16 Schüler. Am Sozialpflegerischen BBZ werden insgesamt 491 Abschlüsse erwartet und am Technisch-gewerblichen BBZ 139. Ein Großteil der Schüler wird allerdings keine Ausbildungsstelle suchen, sondern ein Studium beginnen. red

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