Immer noch kein Dach überm Kopf

Winterbach/Merchweiler. Das halbe Dach hängt wie am seidenen Faden an Hochspannungsleitungen. Unter ihm ist eine Haushälfte abgerutscht. Dramatische Bilder rund um die Bauruine. Schnell wird klar: Hier ist nichts zu retten.Das war vor einem Jahr, als die Zukunft in den eigenen vier Wänden für ein junges Paar binnen Sekunden einstürzte

 So sah es am 27. Dezember 2011 aus, als die Rückwand des Winterbacher Hauses abgerutscht war und eine Hälfte des Daches in die Tiefe gerissen hatte. Es blieb nur der Abbruch übrig. Fotos: hgn

So sah es am 27. Dezember 2011 aus, als die Rückwand des Winterbacher Hauses abgerutscht war und eine Hälfte des Daches in die Tiefe gerissen hatte. Es blieb nur der Abbruch übrig. Fotos: hgn

Winterbach/Merchweiler. Das halbe Dach hängt wie am seidenen Faden an Hochspannungsleitungen. Unter ihm ist eine Haushälfte abgerutscht. Dramatische Bilder rund um die Bauruine. Schnell wird klar: Hier ist nichts zu retten.

Das war vor einem Jahr, als die Zukunft in den eigenen vier Wänden für ein junges Paar binnen Sekunden einstürzte. Seitdem leben Melanie De Pizzol-Müller (33) und Oliver Müller (32) in beengten Verhältnissen, auf rund 30 Quadratmetern, in einer Merchweiler Wohnung. Dabei machten sich so viele für die junge Frau und ihren Mann stark. Winterbachs Ortsvorsteher Gerhard Weiand trommelte die Vereinsgemeinschaft seines Dorfes beisammen. Sie organisierte ein Benefizkonzert. Radiosender meldeten sich bei den Opfern, schickten die Story über den Äther. Zuletzt ließ sich ein Kamerateam der ZDF-Sendung "Terra X" zu Dreharbeiten blicken, für eine Sendung, die Ausstrahlung ist im Frühjahr vorgesehen.

Und was ist dabei herumgekommen? "Es ist nichts passiert", schildert Oliver Müller resigniert. Der Diplom-Ingenieur berichtet von einer Flut an Rechnungen, die über die beiden hereinbrach. Doch hatten nicht zahlreiche Unternehmen direkt nach dem Unglück angekündigt, auf einen Teil ihrer Ansprüche zu verzichten? "Ja, aber stattdessen bekamen wir jede Menge Zahlungsaufforderungen." Was Oliver Müller nicht unbedingt frusten würde, wenn es nicht Stundungszusagen gegeben hätte.

Was ihn ärgert, sind Rechnungen, in denen gar nicht ersichtlich sei, für welche Leistungen beauftragte Betriebe Geld verlangen. Müller: "Wir haben Rechnungen, da werden uns Pauschalen für Erstattungs- und Arbeiterkosten aufgemacht. Details fehlen."

So sei den beiden nichts anderes übrig geblieben, als einen Anwalt einzuschalten. Mit überschaubarem Erfolg: "In einem Fall haben wir uns vor Gericht auf einen Vergleich geeinigt", was letztlich aber kaum Ersparnis für ihn und seine Frau erbracht habe.

Ein Ende der Forderungen sei bislang nicht in Sicht. Oliver Müller: "Von allen Seiten bekommen wir nur Kosten aufgemacht." Da seien die juristischen Auseinandersetzungen noch nicht einmal bedacht. Unter anderem, um zu ermitteln, wer überhaupt Schuld am Einsturz trägt. War es ein Arbeiter, der rund ums Haus das Fundament für weitere Arbeiten freigelegt hat? Führte dies dazu, dass die Grundmauern nachgaben? Oder war es eine Verquickung unglücklicher Umstände beim Umbau des Hauses aus den 40er Jahren? Solche Verfahren können mürbe machen. Mal abgesehen vom kostspieligen Aspekt. Müller: "Das gespendete Geld geht für alles drauf, nur nicht für den Wiederaufbau." Und er ergänzt mit trüber Aussicht: "Wenn uns jetzt auch noch unsere Rechtsschutzversicherung im Stich lassen sollte, dann war's das." Dann ist es mit dem Ziel eines eigenen Häuschens in Winterbach aus und vorbei.

 Oliver Müller

Oliver Müller

Dies unkten übrigens Menschen im Umfeld von Melanie und Oliver, sahen wegen der sich anhäufenden Schwierigkeiten sogar deren Beziehung auf dem Spiel. Mit der Folge: Die Krankenschwester und der Mitarbeiter der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Saarbrücken heirateten am 28. Juli. Sie stehen zueinander. Wollen in der Merchweiler Zwei-Zimmer-Wohnung durchhalten. "In unserem Puma-Käfig", wie Melanie mit Galgenhumor anfügt.

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