Humanität im ärztlichen Gewand

Eschweilerhof · In der Weihnachtszeit ist viel von christlichen Werten die Rede. Dafür, dass Nächstenliebe, Toleranz oder Achtung der Menschenwürde keine Worthülsen bleiben und unabhängig von einem zeitlichen Bezug praktiziert werden, sorgen Menschen, die von der Öffentlichkeit oft unbemerkt wirken. Zu ihnen gehört auch der Neunkircher Mediziner Dr. Rudolf Kneip, der sich in bester humanistischer Tradition für kranke Menschen in Afrika einsetzt. Auf Wunsch der SZ hat er von seinen Missionen berichtet.

 Seine Eindrücke verarbeitet Rudolf Kneip („Skizzen sind mein Tagebuch vor Ort“), der sich seit früher Jugend der Malerei und Kunstgeschichte verschrieben hat, auch in beeindruckenden Acry-Bildern. Foto: Willi Hiegel

Seine Eindrücke verarbeitet Rudolf Kneip („Skizzen sind mein Tagebuch vor Ort“), der sich seit früher Jugend der Malerei und Kunstgeschichte verschrieben hat, auch in beeindruckenden Acry-Bildern. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

"Wenn man einmal in Afrika war, kommt man immer wieder oder fährt nie mehr hin." Dieses geflügelte Wort ist für Dr. Rudolf Kneip eindeutig entschieden. Bislang neun Mal war der Urologe auf dem Schwarzen Kontinent - nicht als Tourist, sondern als Mediziner, der für die Menschen dort Sinnvolles bewirken will.

Rund 30 Jahre lang war Rudolf Kneip in Neunkirchen als Urologe tätig, hatte am Städtischen Klinikum diese Fachdisziplin aufgebaut. Als er sich 2004 für den Ruhestand entschied, stand für ihn ein ausschließliches Rentnerdasein im gemütlichen Domizil auf dem Eschweilerhof nicht zur Debatte. Die keineswegs erloschene Liebe zum Beruf, der Wunsch zu helfen und ein Schuss Lust auf Abenteuer und Fernreisen führten ihn in den vergangenen zehn Jahren nach Tansania, Ghana , Nigeria und Kenia . Und eröffneten ihm wie erwartet weitere Horizonte.

Das betrifft einmal die tiefen Einblicke in die afrikanische Kultur und die Mentalität der Einwohner. Das betrifft zum andern die Spontaneität, Herzlichkeit und Dankbarkeit der Menschen. Dafür nehmen Rudolf Kneip und andere Kollegen, die sich dazu berufen fühlen, jährlich drei Wochen lang Zehn-Stunden-Tage in ländlichen Krankenhäusern auf sich. Stehen von morgens 9 Uhr bis zum späten Nachmittag am Operationstisch und bedienen danach die stets überfüllte ambulante Sprechstunde. Aus einem Umkreis von 100 Kilometern und mehr kommen die Patienten, die von der Anwesenheit der "german doctors" über Radio, Zeitung, Aushänge oder einheimische Ärzte erfahren haben. Schon direkt bei der Ankunft, nach manchmal hunderten Kilometern vom Flughafen zur Zielklinik per Jeep, werden die Mediziner aus Deutschland mit Beschlag belegt.

Etwa 50 Operationen stemmt das Urologen-Tandem - die Ärzte sind in der Regel als Duo unterwegs - pro Aufenthaltszyklus, dazu kommen zahllose kleinere Eingriffe. Neben spezifisch urologischen Einsatzgebieten wie Prostata-, Harnröhren- und Nieren-OPs leisteten die Ärzte beispielsweise auch Hilfe bei Kaiserschnitten. Oder Befunde, die in Europa gänzlich unbekannt sind: Etwa, wenn einem Medizinmann im Busch eine Abtreibung misslungen ist oder sich ein Einheimischer eine Bilharziose eingefangen hat. Bei dieser tückischen Infektion dringen in verunreinigten Flüssen oder Seen Saugwürmer durch die Haut ein und befallen die inneren Organe. "Eine schreckliche Krankheit", so Kneips Erfahrung, " die Befallenen werden oft aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen." Nicht nur Leiden zu lindern nach europäischem Urologen-Maßstab ist also gefordert, "man rettet da durchaus auch Leben", stellt der Neunkircher Mediziner fest.

Um dies zu bewerkstelligen sind neben exzellenter fachlicher Sicherheit gute Nerven und Improvisationstalent vonnöten. Etwa, wenn mitten in der Operation der Strom ausfällt, der Generator nicht gleich anspringt und man mit der Stirnlampe weiterarbeiten muss. Oder, wenn für eine dringende OP ein erforderliches Kontrastmittel aus der Hauptstadt geordert werden muss und dann erst drei Tage nach dem unaufschiebbaren Eingriff ankommt.

In Afrika gibt es so genannte Basisärzte, die zwar ein breites Spektrum abdecken, aber keine tiefer gehenden Kenntnisse in den Fachdisziplinen haben. Das war Rudolf Kneip schon bei seinem ersten Einsatz klar, als er 2005 in einer abgelegenen Klinik des Benediktinerordens in Tansania (Ndarida) nahe der Grenze zu Mosambik ging. "In der ganzen Gegend gab es keine Urologen", hat er festgestellt. In den folgenden Jahren war er für die Rotarier, denen er selbst seit Jahrzehnten angehört, in Ghana - zunächst für die "German Rotary Volunteer Doctors", dann für die eigens für Urologen ins Leben gerufene Variante "Ärzte für Afrika". In dem westafrikanischen Staat war er unter anderem in Kliniken der Steyler Schwestern (Nkawkaw) und der Speyrer Dominikannerinnen (Akwatia) tätig. Zwischendurch, im Jahr 2010, auf staatliche Einladung hin auch mal im Süden Nigerias. "Dieses Land ist ein sehr gefährliches Terrain", hat Kneip festgestellt, "dort begleiteten uns die zu unserem Schutz abgestellten Militärpolizisten sogar bis fast auf die Toilette!" Andererseits wurde ihm, zusammen mit seinem langjährigen Begleiter Professor Armin Rost aus Lingen, hochoffiziell die Häuptlingswürde des Stammes der Ikbu verliehen. In den letzten beiden Jahren hat der Neunkircher Urologe aktiv teilgenommen am Rotary-Projekt "Rarieda" in Kenia (siehe "Hintergrund").

Dass sie für ihre ehrenamtliche Afrika-Mission Wissen, Zeit und Geld (zum Teil bezahlen sie ihre Flüge selber) einsetzen, ist für die helfenden Ärzte kein Aufhebens wert. Die Gegenleistung ist für viele unbezahlbar. "Was wir zurückbekommen und nicht mehr missen möchten, sind unschätzbare menschliche und emotionale Erfahrungen", zitiert Rudolf Kneip einen Kollegen. Und spätestens, wenn ihre afrikanischen Patienten die "german doctors" mit Blumensträußen und Gesang verabschieden, wissen sie, dass sie wiederkommen.

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HintergrundDer Rotary Club Neunkirchen unterstützt mit dem Projekt "Rarieda" eine der ärmsten Regionen Kenias: Die Gemeinde Uyoma im Westen des Landes am Viktoriasee. Dort leben 12 000 Menschen in 36 Dörfern. Im gesamten Distrikt Rarieda (130 000 Menschen) ist kein einziger Arzt verfügbar, es gibt nur dürftige Ambulanzen, betreut von staatlichen Krankenschwestern. Die HIV- und Malaria-Infektionsraten sind hoch. Jedes fünfte Kind stirbt bevor es fünf Jahre alt wird. Mit seinem Projekt will Rotary Gesundheit und Bildung fördern, bei der Wasseraufbereitung helfen, und die Eigenversorgung stärken. Hilfen und Spenden kommen ohne Umwege in die Region, so der Club. Weitere Infos: Michael Finkler, Tel. (0631) 303 47-0, E-Mail: finkler@abs-ag.de

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