Anlaufstelle in Neunkirchen Verletzte Seelen brauchen Hilfe

Neunkirchen · Die Lebensberatung Neunkirchen kümmert sich um traumatisierte Geflüchtete. Zuschüsse des Bistums sind ausgelaufen. Trier kündigt an, Unterstützung fortzusetzen.

 In dieser Schublade hängen die Akten von geflüchteten Menschen.Die Mehrheit bringt Traumata mit, verletzte Seelen. Martin Ludwig von der Lebensberatung Neunkirchen kennt viele dieser Lebensgeschichten.

In dieser Schublade hängen die Akten von geflüchteten Menschen.Die Mehrheit bringt Traumata mit, verletzte Seelen. Martin Ludwig von der Lebensberatung Neunkirchen kennt viele dieser Lebensgeschichten.

Foto: Claudia Emmerich

Das ist eine sehr belastende Situation. Für alle Beteiligte. „Im Moment können wir keine Perspektiven bieten“, sagt Martin Ludwig von der Lebensberatung Neunkirchen zur Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten. „Und es gibt keine andere Auffangmöglichkeit.“

Die bischöfliche Einrichtung am Hüttenberg bietet Beratung und Therapie für Menschen, die vor Bürgerkrieg und Gewalt aus ihrem Heimatland geflohen sind, mit schweren seelischen Verletzungen im Gepäck. Wohl das einzige Angebot in dieser Form im Saarland, sagt Sozialpädagoge und Therapeut Ludwig. Ergänzt um Hilfen beispielsweise auch in Erziehungsfragen.

Ermöglicht wird dieses Angebot durch Geld aus dem Flüchtlingsfonds des Bistums Trier, „vor allem durch die Übernahme der Dolmetscherkosten“, sagt Ludwig. Gespräche brauchen den Sprachmittler, das Regelangebot (finanziert vom Bistum, Landkreis und Stadt) ohne Dolmetscher reicht da nicht aus. Nun ist diese Fonds-Unterstützung Anfang Oktober weggefallen, wie der Leiter der Neunkircher Beratungsstelle berichtet. Und damit können sie ihr Angebot nicht mehr aufrecht erhalten.

Seit etwa vier Monaten zeichne sich für ihn ab, dass die Finanzspritze aus dem Trierer Fonds fehlen werde. Zunächst hieß es zum Jahresende, dann Ende Oktober, nun passierte es bereits Anfang Oktober. Er habe in Trier beim Flüchtlingsreferenten nachgefragt, sagt Ludwig. Dort sinne man auf eine Lösung, die das Weiterführen der Arbeit in Neunkirchen möglich mache.

Die SZ hat beim Bistum nachgefragt. Bischof Ackermann, so heißt es, wollte am 7. November auf einer Abschlusskonferenz zum Projekt Willkommens-Netz (Flüchtlingshilfe im Bistum Trier) vorstellen, wie das Bistum weiter Geflüchtete und ehrenamtliche Helfer unterstützt. Nun sei die Konferenz wegen der aktuellen Corona-Lage abgesagt worden. Aber auch nach Ende des auf fünf Jahre angelegten Projektes würde Trier Hilfen fortführen und zeitnah darüber informieren.

Insgesamt 57 Geflüchtete sind 2019 am Hüttenberg beraten worden, wie der Jahresbericht ausweist. In 49 Fällen war ein Sprachmittler einbezogen. Auch in diesem Jahr gingen die Trauma-Beratungen weiter. „Es sind eher noch mehr geworden.“ In diesen Tagen hat Ludwig die letzten Sitzungen geleitet. Aber dann gibt es keine Termine mehr. Keine für neue Klienten, aber auch keine für Menschen, die mitten im Therapie-Prozess stecken: „Das ist schlimm, richtig schlimm.“ Er kennt mehrfach gebrochene Lebensgeschichten seiner Klienten. Wer soll jetzt helfen, sie zusammenzusetzen? Hilfe leisten sollten Profis, weiß der Experte, Familie und Freunden kämen da an ihre Grenzen: „Sie leiden mit.“

Es geht um „menschliche Nöte“, sagt Ludwig. Aber es gehe um viel mehr. Stichwort Folgekosten: An ein Trauma hängen sich andere Störungen dran wie Depression, Angst oder Alkohol. „Die werden uns nachlaufen“, glaubt Ludwig, wenn keine Therapien greifen können. Mit Szenarien wie arbeitsunfähig, krank, süchtig, straffällig. Und es reicht noch weiter. Ludwig nennt es „Generationenweitergabe“: Der traumatisiert Vater oder die traumatisierte Mutter prägen die Kinder etwa durch Überbehüten, Abschirmen.

Für den Experten ist ein Angebot für Traumabewältigung also sowohl ein menschlicher als auch eine gesellschaftlicher Auftrag.

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