Hier stützt die Hilfe von Familie, Freunden und Bekannten

Neunkirchen · Wo und wie bauen sich Menschen mit Flucht-Schicksal bei uns eine selbstständige berufliche Existenz auf? Fallbeispiele aus der Region.

 Farhad Yousef mit Kitti Shanyeczki und Ganyar Baker vor seinem Friseursalon „Medusa“ in der Marienstraße.

Farhad Yousef mit Kitti Shanyeczki und Ganyar Baker vor seinem Friseursalon „Medusa“ in der Marienstraße.

Medusa wuchsen Schlangen statt Haare auf dem Kopf. Farhad Yousef kennt die Gestalt aus der griechischen Mythologie und ihm gefällt der Name. So wurde er zum Namensfinder für den im Juli 2016 eröffneten Friseursalon für Damen und Herren in der Neunkircher Marienstraße: "Medusa".

Unsere Zeitung hat den familiengeführten Salon besucht, auf Spurensuche in der Region: Wo und wie bauen sich Menschen mit Flucht-Schicksal bei uns eine selbstständige berufliche Existenz auf? Die Yousefs sind Kurden aus Afrin in der syrischen Provinz Aleppo. Der Bürgerkrieg trieb sie in die Flucht und ins Asyl. Seit zweieinhalb Jahren lebt die Familie in Neunkirchen. Farhad folgte erst vor einem Jahr. Er hing noch in der Türkei fest.

Eine Aufenthaltserlaubnis, befristet auf drei Jahre, machte "Medusa" möglich. Mit seinen Brüdern Farid (24) und Mohamad (20) steht Farhad (22) im Salon - alle drei bringen aus ihrer Heimat Erfahrung im Friseurhandwerk mit. Schwester Fidan (16) hilft im Geschäft mit, ebenso die Mutter. Der Vater starb im letzten Jahr. "Alles Familie", sagt Farhad zum Schritt in die Selbstständigkeit. "Alles gut so." Kredit, so Farhad weiter, gab es für die Existenzgründung keinen. Das Geld für Renovieren und Einrichten floss "gegen Quittung" aus dem privaten Umfeld. Der Salon läuft, sagt Farhad. Es gibt Arbeit für viele Hände und auch Ausbaupläne - etwa für ein Nagelstudio. Doch der ethnische Konflikt aus der Heimat ist auch in Neunkirchen nicht überwunden. Kunden seien Deutsche, Italiener, Rumänen oder Bulgaren, erzählt Farhad. Araber mieden den Salon, bedauert der Kurde.

Privates Start-Geld wie bei den Yousefs - das kennt Wolfgang Vogt. Er koordiniert das IQ Landesnetzwerk Saarland, das die Arbeitsmarkt-Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fördert. Kapital für Kleinunternehmen ohne Sicherheiten sei schwierig. Gründerwillige bauten auf Familie und Freunde. Vogt in einem Interview: "Das ist kritisch. Weil der Gründer im Falle des Scheiterns genau denen Schaden zufügt, die er dann braucht, um aufgefangen zu werden."

Zum IQ Landesnetzwerk gehört auch das Gründungsbüro in Saarbrücken mit seinem Beratungsangebot. "Seit letztem Jahr haben wir viele Syrer", sagt Projektkoordinatorin Stefanie Valcic-Manstein im SZ-Gespräch zu den Folgen der jüngsten Flüchtlingswelle nach 2013 (siehe Info). "Oft waren sie in Syrien schon selbstständig. Und sie haben ein kämpferisches Naturell, haben sie doch die Flucht gewagt." Das Gründungsbüro bietet Machbarkeits check, Kontakt zu Partnern (Banken, Kammern, Steuerberatern. . .), Hilfe bei Businessplänen, Infos zu Förderprogrammen, Einsatz von Sprachmittlern. Beratend zur Seite steht Valcic-Manstein derzeit auch beim Feinschliff einer Geschäftsidee Käse-Produktion zwischen einem Bauern aus Uchtelfangen und einem jungen Syrer.

Nach weiteren Beispielen haben wir auch in den Kreiskommunen gefragt. Aus Illingen kam der Hinweis, ein Neu-Illinger suche aktuell ein geeignetes Ladenlokal für syrische Lebensmittel. Die kann man etwa in der Neunkircher Bahnhofsstraße kaufen. Im März 2016 hat Abdul Kafour Ismail sein Geschäft eröffnet. Ebenfalls ohne institutionelle Unterstützung, wie der 43-Jährige der SZ erzählt. Auch hier packt die Familie mit an. 2000 war der Kurde aus seiner syrischen Heimat geflohen, erhielt Asyl und vor einem Jahr auch den deutschen Pass: "Alle meine vier Kinder sind in Deutschland geboren." Sein Sortiment und seine Kunden überspringen nationale Grenzen: "Obst und Gemüse für alle, dazu spezielle arabisch-türkische Produkte."

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 Abdul Kafour Ismail vor seinem Lebensmittelladen in der Bahnhofstraße. Fotos: Thomas Seeber

Abdul Kafour Ismail vor seinem Lebensmittelladen in der Bahnhofstraße. Fotos: Thomas Seeber

Flüchtlings-Zuweisungen in den Kreis Neunkirchen Seit 2013 wurden dem Landkreis Neunkirchen 2342 Flüchtlinge zugewiesen (Stand 26. Januar). Verteilung auf die Kommunen nach Angaben des Kreises: Neunkirchen 782, Ottweiler 242, Eppelborn 320, Illingen 282, Merchweiler 182, Schiffweiler 291, Spiesen-Elversberg 243.

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