Menschen Herr Specht hat einen Vogel mehr
Hangard · Was aus dem Seidenhuhn wurde, das im Neunkircher Fundbüro abgegeben worden ist.
Die Trauerschwäne quietschen um die Wette. Aber um sie geht es gar nicht. "Da ist unser Star", sagt Wolfgang Specht und deutet auf ein kleines beigefarbenes Hühnchen, um das drei schwarze Küken-Teenager herum scharwenzeln. Naja, das ausgefranste, plüschige Gefieder des Stars sieht schon ulkig aus. Aber der Rad schlagende weiße Pfau im Gatter nebenan macht deutlich mehr her. Besonders an dem japanischen Seidenhuhn, nennen wir es einfach mal Yumiko, ist auch weniger die Optik als seine Geschichte. Wurde es doch letztes Jahr im Neunkircher Fundbüro abgegeben (wir berichteten). Ein Anwohner der Max-Braun-Straße hatte Yumiko in seinem Garten entdeckt. Und weil man es schlecht in ein Regal stopfen kann, bis der Besitzer sich meldet, vermittelte eine städtische Mitarbeiterin das Fundtier an ihren Nachbarn im Hangarder Forst, nämlichen Herrn Specht.
Viel besser hätte es Yumiko gar nicht treffen können. Denn bei dem 79-jährigen Steuerberater handelt es sich um einen eingefleischten Vogelfan. "Mit Tieren hatte ich schon immer Kontakt", erzählt Specht. Als Kind zu Hund und Katze und da sich die Familienbäckerei im Neunkircher Stadtzentrum befand, auch schon mal zum einen oder anderen Entchen, das Wolfgang aus der Blies barg. Die waren, wie die Beine der Brüder Specht, oft verklebt vom Teer: ein "Geschenk" des Eisenwerks. "Mit Butter" hat man das schmierige Zeug wieder von der Haut bekommen, erinnert sich Wolfgang Specht.
Sein halbes Leben widmete er dem Reitsport. "Mit 26 hatte ich mein erstes Pferd." Specht bestritt Turniere und war 40 Jahre im Reiterverein Neunkirchen aktiv, lange Zeit als Vorsitzender. "Mein Sohn reitet heute noch." Vom Junior stammen auch die Alpakas, denen der Vater Asyl gewährt: "Ich hab ja Gelände", meint Wolfgang Specht gutmütig. 4500 Quadratmeter groß ist sein Grundstück, das dank Quelle auch über eine eigene Frischwasserzufuhr für den Mini-Ententeich verfügt. Insgesamt leben drei Alpakas, zwei Ponys und vier Ziegen in friedlicher Koexistenz bei dem Aussiedler im Wald.
Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch den geflügelten Wirbeltieren. Etwa 100 beherbergt Specht in diversen Volieren, davon allein 30 Pfaue und etliche Arten Fasane, die fast alle irgendein Edelmetall im Namen haben und genauso glänzen. Mit so viel Schönheit können und wollen die Tauben gar nicht konkurrieren, sie sind hier als "Futterverwerter". Während die anderen Vögel recht "schnäkig sind, fressen sie alle Reste". Ohne die Tauben müsste sich Specht wahrscheinlich mit Ratten herum plagen. Räuber wie Füchse, Marder oder wilde Katzen hält sich der Vogelfreund mit Schwachstrom vom Hals. "Die Verluste waren schlimm, einen Winter habe ich mal 26 Tiere verloren, sogar einen großen Pfau" - trotz Maschendrahtzaun. "Ich hab das beobachtet: Der Fuchs geht am Gitter hoch wie an einer Leiter." Seitdem er eine "gewischt" bekam, herrscht Ruhe.
Langweilig wird es Specht nicht so schnell. Drei Tage pro Woche arbeitet er noch in der Steuerkanzlei, die seine Tochter übernommen hat. Morgens und nachmittags kümmert er sich um seine Tiere, der Samstag geht oft für Reparaturen drauf. Besonders froh macht es Wolfgang Specht, wenn der Enkelsohn seiner Lebensgefährtin zu Besuch kommt. Der mag die Vögel und ist ein "begeisterter Eierholer". Für Yumiko dreht sich jetzt auch alles um die Familie: Ihr kommissarischer Halter hat ihr drei Eier der schwarzgefiederten Rasse Australorps untergeschoben. Von dem Moment an, als die Schalen platzten, erwies sich Yumiko als patente, fürsorgliche Mama: "Die Küken werden von ihr betüttert und bemuttert." Was für ein Happy-End.