Heftiger Streit um Zirkus-Tiere

Neunkirchen · Seit Jahren ist die Dressur von Wildtieren zu Unterhaltungszwecken umstritten. Die Stimmen für ein flächendeckendes Verbot exotischer Tiere in Zirkussen mehren sich. Doch die Regierung blockt weiterhin ab.

 Gefälscht: Unbekannte Tierschützer haben am Montag die Werbeplakate des Zirkus Knie überklebt.Foto: Zirkus Knie

Gefälscht: Unbekannte Tierschützer haben am Montag die Werbeplakate des Zirkus Knie überklebt.Foto: Zirkus Knie

Foto: Zirkus Knie

"Geschlossen wegen Tierquälerei!" Vermeintlicher Unterzeichner: der saarländische Tierschutzbeauftragte. So stand es auf dem Zettel, mit dem mehrere Werbeplakate des Zirkusveranstalters Charles Knie, der bis heute in Neunkirchen gastiert, überklebt worden waren. "Es muss jemand gewesen sein, der sowohl etwas gegen den Zirkus, als auch gegen mich hat", vermutet Hans-Friedrich Willimzik, Landestierschutzbeauftragter des Saarlandes. So etwas erweise dem Tierschutz einen Bärendienst, sagt Willimzik, der am Dienstag Anzeige gegen Unbekannt erstattete. Die Kritik an der Tierhaltung im Zirkus teile er durchaus. "Der Knackpunkt ist die artgerechte Haltung", sagt er. Seit Jahren beobachtet der Tierschutzbeauftragte die Zirkusdressur und er erlebe "gestresste Tiere", sagt er. Wildtiere wie Tiger, Löwen und Elefanten , die auch bei Charles Knie in der Manege stehen, hätten dort nichts verloren. Derzeit gebe es jedoch keinen politischen Willen, um diese Zustände zu ändern.

Umso mehr begrüßt Willimzik den Vorstoß des Illinger Bürgermeisters Armin König (CDU ), Wildtiere aus Zirkusvorstellungen im Saarland zu verbannen. Diese freiwillige Selbstverpflichtung der Kommunen fordert auch die Linksfraktion im Landtag. Mehrere Oberbürgermeister im Saarland unterstützen Königs Vorschlag. In Saarlouis würden auf städtischen Flächen seit Jahren keine Zirkusse mit Wildtieren mehr genehmigt, sagt der dortige Oberbürgermeister Roland Henz (SPD ). Sein Neunkircher Amtskollege Jürgen Fried (SPD ) sieht das aber anders. Er verteidigt Charles Knie und weist auf die aktuelle Rechtslage hin. Es sei derzeit "unmöglich, ein Gastspiel aufgrund des Zurschaustellens von Wildtieren zu untersagen". Die Tierschutzorganisation Peta hält dagegen. In Nachbarstädten wie Worms oder Speyer sei das Wildtierverbot bereits durchgesetzt worden. Die Organisation verweist auf ein Münchner Urteil aus dem Jahr 2014, das die Rechtmäßigkeit eines kommunalen Wildtierverbots bestätigte. Der Landestierschutzbeauftragte sieht jedoch noch rechtlichen Prüfungsbedarf. Eventuell sei eine Gesetzesänderung auf Bundesebene notwendig, um ein Wildtierverbot in Zirkussen flächendeckend durchsetzen zu können. Einig ist er sich mit Peta darin, dass die Dressur der Tiere auf Gewalt und Zwang basiere. Die häufigen Ortswechsel, bis zu 50 Gastspiele im Jahr, seien für die Tiere unzumutbar. "Elefanten müssen bis zu 16 Stunden auf dem Transporter ausharren", sagt Peter Höffken von Peta Deutschland.

Patrick Adolph, Zirkussprecher von Charles Knie, ist davon überzeugt, dass die Branche einer "Hetzkampagne von radikalen Extremisten" ausgesetzt sei. Dies zeige auch die "rechtswidrige Plakataktion". Sein Zirkus unterziehe sich im Jahr 50 Veterinärskontrollen. "Zeigen Sie mir ein einziges Tier, dem es hier schlecht gehen soll", wettert er am Rande eines Pressebesuchs. Kein Tier werde in seinem Zirkus zu etwas gezwungen. Die Tricks bauten auf natürlichen Verhaltensweisen der Tiere auf. "Das Publikum verlangt exotische Tiere", sagt er. Neuere Umfragen zeichnen ein anderes Bild: laut einer Forsa-Erhebung aus dem Vorjahr sprachen sich 82 Prozent der Deutschen für ein Wildtierverbot im Zirkus aus. Für die Tierschützer ein klares Votum.

Meinung:
Kein Platz für wilde Tiere

Von SZ-Redaktionsmitglied Dietmar Klostermann

Es gab Zeiten, in denen Wildtiere noch ihren berechtigten Platz in Zirkussen hatten: Als die Welt noch weitgehend unerforscht war, die Zoos rar und die Menschen in Europa Löwen, Tiger und Elefanten nur in den Manegen zu Gesicht bekamen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei: Der Platz für wilde Tiere in ihrer Heimat ist durch Wilderei, Kriege und Umweltzerstörung so klein geworden, dass vielen Arten das Aussterben droht. Das Bewusstsein der Menschen in den Industriestaaten für diese Notlage ist stark gewachsen. Ebenso das Bewusstsein, dass Tiere Lebewesen sind, denen rechtlicher Schutz gewährt werden muss. Deshalb müssen die Zirkusse neue Wege suchen, Zuschauer anzulocken. Und die Politiker müssen die Zirkus-Haltung stoppen. Nur so werden wir diesen wunderbaren Lebewesen gerecht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort