Reformationsjubiläum „Hätte mein Käthchen mehr loben müssen“

Neunkirchen · Martin Luther plaudert im Gespräch mit unserer Zeitung über sein Leben und Werk und die Kirche heute.

Hartmut Thömmes (74) aus Ottweiler ist Pfarrer im aktiven Ruhestand. Gern schlüpft er auch mal in die Rolle des Reforma­tors Martin Luther. Schwarzer Talar drüber, schwarzes Barrett obendrauf. So wie jetzt fürs Gespräch mit unserer Zeitung. Anlass: 500 Jahre Reformation. An diesem Dienstag ist großer Feiertag.

Willkommen in unserer Redak­tion, Martin Luther. Wo und wie werden Sie denn den 31. Oktober 2017 verbringen?

Luther: Ehrlich gesagt, ich weiß es noch nicht genau. Es gibt mehrere Anfragen. Vielleicht bin ich auch nur mal als unbekannter Gast dabei.

Ein ehemaliger Mönch und eine ehemalige Nonne… Wie kam diese Beziehung zwischen Ihnen und Katharina von Bora denn damals an?

Luther: Sie wissen, Katharina war eine entlaufene Nonne. Sie wurde mit neun anderen in Weinfässern aus dem Kloster Nimbschen rausgeschmuggelt. Manche von diesen Frauen tauchten in Wittenberg auf. Die meisten waren dann verheiratet. Einen, den Katharina wollte, den Namen sag ich jetzt nicht, der wollte sie nicht. Dann hab ich mich erbarmt und die Käthe doch noch geehelicht. Es war mehr oder weniger eine Vernunft- und Versorgungsehe. Die Liebe kam später.

Käthe war wohl eine Frau, die man heute emanzipiert nennen würde, mit eigenem Kopf. Neben Ehefrau, und Mutter auch Geschäftsfrau.

Luther: Sie war sehr couragiert. Ich hatte auch keine Beziehung zum Geld. Mein Käthchen hat Bier gebraut. Die hat den Schweinestall gehabt, Kühe, die hat den Garten gemacht. Ich hatte ja auch wenig Zeit und es war nicht mein Metier. Sie hat alles gemacht. Ich hätte sie manchmal noch ein bisschen mehr loben müssen.

Sie bekamen sechs Kinder. War Erziehung im Hause Luther Frauensache?

Luther: In der Regel ja.

Heute fühlen sich viele Eltern überfordert. Wie war der Erziehungsstil im Hause Luther und was hätten Sie für Erziehungstipps?

Luther: Da war schon eine gewisse Strenge. Es war auch viel Muße, lesen, musizieren. Die Kinder wurden auch dazu angehalten mitzuarbeiten in dieser kleinen Landwirtschaft. Ja heute? Mehr Zeit nehmen müssten sich manche Eltern, auch wenn beide berufstätig sind. Mehr mit ihren Kindern machen. Zeit und Aktivitäten.

Ahnten Sie 1517, dass Sie mal so in die Geschichte eingehen würden?

Luther: Nein. Ich wollte auf bestehende Missstände in der römisch-katholischen Kirche hinweisen mit meinen 95 Thesen. Aber so einen Widerhall global, das konnte ich mir im kleinen Wittenberg am Ende der Welt nicht vorstellen. Die Frage war ja, wie bekomme ich einen gnädigen Gott. Der Ablass ist nicht biblisch.

Sie waren ein erstklassiger Selbst-Vermarkter. Wären Sie heute auf Facebook, Twitter oder Instagramm unterwegs?

Luther: Die Kirche ist gut beraten, wenn sie die Dinge heute nutzt. Damals hab ich unsere Medien genutzt - ganz wichtig: mit meinem damaligen Mitstreiter Philipp Melanch­thon. Johannes Gutenberg hatte den Buchdruck mit beweglichen Lettern gerade erfunden. Dann hatte ich das Glück, die Maler Lucas Cranach den Älteren und den Jüngeren zu haben. Die haben mir gemalt, alles Mögliche, nicht nur Porträts, auch aus meinem Familienleben. Das konnte ja verbreitet werden, indem es kopiert worden ist.

Sie haben das große Werk vollbracht, die Bibel zu übersetzen.

Luther: Nicht die Bibel, nur das Neue Testament. Aus der griechischen Ursprache in das Deutsche. Ich bin, ich darf das in aller Bescheidenheit sagen, der Schöpfer der deutschen Sprache, der Hochsprache. Für mich war wichtig, und da muss ich wieder nach meinem Mitstreiter Melanchthon greifen: Wo eine Kirche steht, muss auch eine Schule daneben stehen. Der Mensch muss lesen und schreiben können, damit er die Bibel und anderes lesen kann - in Deutsch.

Ohne Buchdruck wäre die Wirkung nicht erreicht worden.

Luther: Das ist richtig. Und dann hatten wir auch noch fahrende Händler und Sänger, die meine Thesen unters Volk gebracht haben.

Jetzt werden Sie, Ihre Lebensleistung und die Folgen für die Kirche im großen Reformationsjubiläum gewürdigt. Luther ist in diesem Jahr omnipräsent. Fühlen Sie sich richtig verstanden?

Luther: Also zunächst muss ich mal sagen: Wir haben kein Luther-Jahr. Wir haben 500 Jahre Reformation. Neben mir gab es andere Reforma­toren, ich darf mal zwei nennen: Calvin aus Genf und Zwingli aus Zürich. Deshalb ist die Reformation auch global. Manche fühlen sich auch durch die Medien - ja- überluthert.

Auch die SZ hat eine Lutheraktion gemacht, die Lutherstraßen im Kreis Neunkirchen aufgesucht und Menschen nach dem Namensgeber gefragt – da war auch teilweise Unkenntnis. Geraten Sie in Vergessenheit?

Luther: Luther ist noch vielen bekannt. Theologe, deutsche Sprache geschaffen, viele Kirchenlieder gedichet.

Aber selbst das wussten nicht alle, die wir befragten.

Luther: Interessant ist aber, dass in der ehemaligen DDR, Luther nicht vom Sockel geholt worden ist. Er war ja doch sehr revolutionär.Und viele konnten doch mit ihrem Vater Luther etwas anfangen.

Die Zeichen der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland stehen auf Ökumene. Geben Sie der Überwindung der Spaltung eine Chance?

Luther: Ich gebe eine Chance. Die beiden Kirchen haben sich sehr angenähert. Die römisch-katholische Kirche heute ist nicht mehr meine Kirche im Mittelalter. Was uns trennt, ist weiter die Hierarchie, das Papstamt. Weiter der Zölibat. Und diie Sache mit dem Abendmahl, der Kommunion: Wir haben gesagt, Brot und Wein für alle.

Es klingt durch, dass Sie nicht unbedingt sehen, dass diese Annährung in einen Weg mündet...

Luther: Wir haben uns angenähert, werden uns noch weiter annähern. Die letzte Vereinigung ist vielleicht nicht Menschenwerk, ist Gotteswerk.

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