Großes Interesse an historischem Vortrag übers Eisenwerk

Neunkirchen · Knapp 100 Zuhörer hatte Historiker Fabian Trinkaus bei seinem Vortrag in der Reithalle. Auf Einladung der Arbeitskammer des Saarlandes referierte er über „Die Arbeiterbelegschaft des Neunkircher Eisenwerks im Zeitalter der Industrialisierung“.

Ein altes Schwarz-Weiß-Foto ist auf die Leinwand projiziert. Es zeigt Schürzenträgerinnen mit Essensbehältern, die über eine Brücke, vermutlich über die Blies, hasten. "Neunkircher Hüttenfrauen bringen ihren Männern das Mittagessen", lautet die Bildunterschrift. "Das waren noch Zeiten", tönt eine Männerstimme mit gespieltem Neid von hinten. Alles lacht. Ansonsten war die Abendveranstaltung, zu der die Arbeitskammer des Saarlandes und die IG Metall eingeladen hatten, eher von sachlich-nüchterner Geschichtsforschung und -interpretation geprägt.

"Die Arbeiterbelegschaft des Neunkircher Eisenwerks im Zeitalter der Industrialisierung 1850 - 1935" lautete das Thema von Fabian Trinkaus. Schöpfen konnte der Trierer Historiker dafür aus seiner eigenen Studie "Arbeiterexistenzen und Arbeiterbewegung in der Eisen- und Stahlindustrie. Die Hüttenstädte Neunkirchen /Saar und Düdelingen/Luxemburg im historischen Vergleich". Es war ein bisschen wie Eulen nach Athen tragen. Wer in der von Carl Ferdinand von Stumm erbauten Neunkircher Reithalle vor hiesigen Gewerkschaftsmitgliedern etwas grundlegend Neues über die Geschichte des Eisenwerks und seiner Belegschaft vor 100 Jahren offenbaren wollte, müsste schon selbst dabei gewesen sein.

Immerhin wartete Trinkaus mit soliden Recherchen unter anderem in den Neunkircher Fremdenbüchern auf. Detailliert stellte der 34-jährige Forscher beispielsweise dar, woher die Belegschaft des Eisenwerkes stammte (der größte Teil aus St. Wendel und Homburg) und dass es damals bereits "starke Migrationssysteme" gegeben habe.

Die geschilderte damalige Lebens- und Arbeitswelt mit ihren Schlafhäusern, den miserablen Arbeitsbedingungen, Knebelverträgen, langen Fußmärschen zur Hütte oder Stumms Patriarchentum dürfte dem knapp 100-köpfigen Auditorium in dem vollbesetzten Saal dagegen hinlänglich vertraut gewesen sein.

In seinem Fazit plädierte Trinkaus dafür, bei der saarländischen Geschichtsforschung stärker auf Spiegelungen überregionaler Entwicklungen zu achten, statt immer nur regionale Eigenheiten wie etwa die Siedlungsstruktur oder die ländliche und konfessionelle Prägung der Arbeiterschaft gelten zu lassen. "Viele Merkmale der Branche manifestieren sich auch in Neunkirchen , etwa die Spezifika der Arbeitssituation oder die unternehmerischen Strategien der Arbeiterpolitik."

"Sehr interessant ", lobte Herbert Dieckes im Anschluss den Vortrag. Schon sein Vater und dessen Vater hatten auf der Hütte geschafft, er selbst bis zuletzt im Elektrobetrieb. "Mein Großvater musste täglich 50 Kilometer nach Neunkirchen pendeln und hat als Nebenerwerbslandwirt abends noch die Kühe gemolken" - nach einer Zwölf-Stunden-Schicht, wohlgemerkt. "Ich hab mich oft gefragt, wie die das alles geschafft haben", betonte Dieckes. "Heute würde das keiner mehr akzeptieren."

Etwas enttäuscht zeigte sich Horst Schwenk vom Historischen Verein Neunkirchen . "Das stimmte schon alles. Aber wichtiger wäre das gewesen, was der Referent nicht gesagt hat." Vor allem die Rolle Stumms und seine Beweggründe zur Reglementierung der Arbeiterschaft hätte sich Schwenk etwas differenzierter gewünscht.

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