Für die Toten der Weltkriege Gedenkfeier: Der Hoffnung ein Gesicht geben

Neunkirchen · „Wir holen den Friedhof aus seiner Totenruhe“, verkündete Diakon Oswald Jenni bei der zentralen Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages. Zusammen mit den Musikern der Stadtkapelle Neunkirchen waren knapp 60 Frauen und Männer zum Scheiber Hauptfriedhof gekommen, um die Ruhe zu stören.

 Die zentrale Gedenkfeier in Neunkirchen fand auf dem Scheiber Friefhof statt.

Die zentrale Gedenkfeier in Neunkirchen fand auf dem Scheiber Friefhof statt.

Foto: Anja Kernig

„Und das ist gut so“, betonte Jenni. „Sonst könnten wir zu schnell vergessen.“

Auch, weil die Zeitzeugen stiller werden. Er selbst habe einen Überlebenden des Bombenangriffs auf Neunkirchen überreden wollen, hier öffentlich zu sprechen. „Es ist mir nicht geglückt. Zu nahe waren auch nach über 80 Jahren der Schmerz und die Erschütterung.“ Der Vater, ein Hüttenarbeiter, hatte den Jungen nach stundenlanger Suche schwerverletzt aus den Trümmern ihres Hauses in der Röntgenstraße geborgen. Seine Mutter und zwei Geschwister hatten nicht das Glück, zu überleben. „Wir sind in der Gefahr, die Zusammenhänge zu vergessen“, mahnte Jenni. „Zwar wiegen wir uns in Europa in großer Sicherheit.“ Doch zeigt sich gerade, „wie schnell sich alles ändert, wie gemeinsam gedachte Werte, die Menschenrechte, die Sorge für das europäische Haus, nationalem Denken zum Opfer fallen können“.

Wer wird in 20, 30 Jahren die Friedhofsruhe stören? „Es ist immer der einzelne Mensch, den die Wirklichkeit, die Erfahrung von Verlust und Tod trifft. Eine staatliche Gemeinschaft kann nicht per Verordnung trauern, nur das einzelne Individuum.“ Das Gleiche gelte für die Liebe. „An diesem Morgen treten wir hervor aus der Gesellschaft, werden Gemeinschaft, und doch ist die Trauer unser ganz eigenes Erfahren.“ Deshalb, so der Diakon, „gibt dieser Volkstrauertag der Hoffnung ein Gesicht“.

Eingangs hatte Rudolf Hodapp, Vorsitzender der Marinekameradschaft, in guter Tradition seine selbst gedichteten „Gedanken unserer Zeit – Für die toten Kameraden“ vorgetragen. „Vergangen, vergessen, verschwunden“, klagte er im Namen der Gefallenen. „Wo bleibt da der Sinn unsres Sterbens, wenn du doch vergisst, warum es geschah.“

Bevor die Vertreter des VdK sowie der Marine- und Reservistenkameradschaft ihre Kränze zu Füßen des Ehrenmals aufhängten, erinnerte Oberbürgermeister Jörg Aumann an die Kriege, die sich Anfang der 1990er Jahre auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens abgespielt haben. „Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen waren ab einem gewissen Punkt vollkommen offensichtlich. In Srebrenica etwa wurde ein Massaker an der Zivilbevölkerung angerichtet, ein Völkermord. Und hier kann die Lehre aus den Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges auch bedeuten, dass man nicht wegsehen darf, sondern als internationale Gemeinschaft einschreiten muss.“

Unter Leitung von Jörg Graf spielte die Stadtkapelle „Heilig, heilig, heilig“, „Näher mein Gott zu dir“ und abschließend „Ich hatte einen Kameraden“.

Zeitgleich wurden am Kriegerdenkmal in der Ortsmitte Wiebelskirchen und am Denkmal Gutshof Furpach an die Millionen Opfer von Gewalt und Kriegsverbrechen gedacht und in ehrendem Gedenken Kränze niedergelegt.

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