Gemeinsam für eine stählerne Zukunft

Neunkirchen · Deutschlandweit hatte die IG Metall gestern an den Stahl-Standorten zu einem gemeinsamen Aktionstag aufgerufen. In Neunkirchen waren dem Aufruf nicht nur die Mitarbeiter des Saarstahl-Werkes gefolgt.

 Nach Gewerkschaftsangaben haben gestern rund 1300 Arbeiter aus der Stahlbranche auf dem Neunkircher Stummplatz demonstriert. Sie fordern faire Bedingungen für die heimischen Betriebe. Foto: Willi Hiegel

Nach Gewerkschaftsangaben haben gestern rund 1300 Arbeiter aus der Stahlbranche auf dem Neunkircher Stummplatz demonstriert. Sie fordern faire Bedingungen für die heimischen Betriebe. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel
 Viele rote Luftballons ließen die Stahlwerker bei der Kundgebung fliegen. Ein Symbol für sich auflösende Arbeitsplätze. foto: spettel

Viele rote Luftballons ließen die Stahlwerker bei der Kundgebung fliegen. Ein Symbol für sich auflösende Arbeitsplätze. foto: spettel

"Stahl ist Zukunft" - unter diesem Motto haben sich gestern in Neunkirchen rund 1300 Arbeiter aus der Stahlbranche zusammen mit ihren Gewerkschaftern Gehör verschafft. Initiiert hatte den Aktionstag die IG Metall . Gekommen waren Mitarbeiter des Saarstahl-Standortes Neunkirchen , von Saarblankstahl in Homburg, aber auch anderer Stahl verarbeitender Betriebe aus der Umgebung, dazu die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) sowie Landrat Sören Meng und zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Ihnen allen ging es darum, ein Zeichen für die deutsche und saarländische Stahlindustrie zu setzen, die aktuell angesichts steigender Kosten für Kohlenstoffdioxid-Emissions-Zertifikate und Billigstahl aus China unter Druck gerät.

Aufstellung nahm der Zug am Saarstahl-Werkstor. Schon lange vor dem geplanten Abmarsch hatten sich zahlreiche Mitarbeiter in der werkstypischen orange-grauen Arbeitskluft und mit Helmen versammelt. Die Fahnen und Banner geschultert, gab es Unterhaltungen in kleinen Grüppchen. Für eine trotz angespannter Lage gute Stimmung sorgte die Bayou Street Beat & Brass Band. Sie ging im Zug auch vorne mit, als dieser sich aus dem Werkstor zum Holiday-Inn-Express-Hotel, in den Kreisverkehr und von da auf den Stummplatz schob.

Bei der Kundgebung kamen die bereits bekannten Argumente zur Sprache. Dumpingstahl aus China, höhere Kosten für Emissionszertifikate, eine Umlage auf den produzierten Eigenstrom - in diesen Punkten forderten die Redner Solidarität und gezieltes Handeln von den politisch Verantwortlichen - vor allem in Berlin, Brüssel und Straßburg. Dazu gab es jede Menge Emotionales, Solidaritätsbekundungen und Bekenntnisse zum Industriestandort Deutschland, Saarland und Neunkirchen . Die Äußerungen stets begleitet von Jubel, Beifall oder Krach der Teilnehmer. Einer hatte sich was ganz Besonderes einfallen lassen. Eine Lkw-Hupe mit selbstgebasteltem Schalltrichter an Pressluft-Flaschen - das ganze montiert auf einer Sackkarre - sorgte für ohrenbetäubenden Lärm.

Jörg Caspar, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Neunkirchen , betonte, dass die Stahlindustrie derzeit unverschuldet von zwei Seiten (Dumping und Zertifikatspreise) in die Zange genommen werde. Die Politik müsse dafür sorgen, dass sauberer deutscher Stahl einen fairen Wettbewerb am Markt erhalte. "Wenn nicht, werden unserer Industrie politisch die Lichter ausgeblasen", so Caspar. Zur Not müsse man eben auch nach Brüssel oder Straßburg fahren, um sich Gehör zu verschaffen. Ellen Neumann, Betriebsratsvorsitzende am Werk Neunkirchen , bezeichnete 2016 als Schicksalsjahr für die Branche, was anstehende politische Entscheidungen anbelangt. Ähnlich wie Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Mitte, betonte sie, wie wichtig ein umweltfreundlich produzierter Stahl für die angestrebte Energiewende ist. "Ohne Stahl keine Windenergie", so Köhlinger. Francesco Grioli, IGBCE-Landesbezirksleiter Rheinland-Pfalz/Saarland, überbrachte Solidaritätsbekundungen. "Wir steigen mit euch in den Bus nach Straßburg."

Eher ungewöhnlich für eine gewerkschaftlich organisierte Großdemonstration war der Auftritt eines Arbeitgebers. Mit Albert Hettrich , Generalbevollmächtigter der Stahl-Holding Saar und Präsident der Saarhütten, betrat der oberste Arbeitgeber der saarländischen Stahlindustrie die Bühne am Stummplatz. Die deutsche Stahlindustrie biete höchste Qualität bei geringster Umweltbelastung. "Wir wollen keine Schutzzonen, aber faire Bedingungen", so Hettrich. Auf einen Arbeitsplatz in der Stahlindustrie kämen sechs weitere in der Wirtschaft.

Heinz Bierbaum, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Saar-Landtag betonte, dass in Deutschland und der EU niemand Arbeitsbedingungen wie in den Ländern des Billigstahls haben wolle. "Es geht um Umwelt und Soziales."

Neunkirchens Oberbürgermeister und Vize-Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, Jürgen Fried (SPD ), betonte, dass es das Saarland und Neunkirchen ohne Stahl so nicht geben würde. Deshalb stehe die saarländische Politik auch an der Seite der Stahlarbeiter. "In Neunkirchen hatte der Stahl in der Vergangenheit eine große Bedeutung, er hat es in der Gegenwart und er wird auch in Zukunft eine große Bedeutung haben." Zum Abschluss der Demo stiegen rote Luftballons in den wolkenlosen Neunkircher Himmel. "Jeder ein Symbol für einen Arbeitsplatz, der sich in Luft aufzulösen droht", so Caspar. Der Kampf habe gerade erst begonnen.

Den Kampfgeist beschwor Jörg Köhlinger besonders treffend: "Das Saarland hat ein Herz aus Stahl und es wird weiterschlagen!" > s. auch

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