Gasometer wird abgerissen Ein Wahrzeichen wird verschwinden

Neunkirchen · Der Gasometer in Neunkirchen, den Saarstahl noch in Betrieb hat, wird abgerissen. Der Grund: Auf einem Teil des Neunkircher Hüttenareals wird Globus ein Warenhaus bauen. Die Stadtverwaltung sieht keinen Handlungsbedarf.

 Seit 49 Jahren ein fester Bestandteil des Neunkircher Stadtbildes: der Gasometer.

Seit 49 Jahren ein fester Bestandteil des Neunkircher Stadtbildes: der Gasometer.

Foto: Michael Kipp

„Neunkircher Stahl“ steht auf einem großen Banner, das bei Spielen der Borussia im Fanblock hängt. Weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund. Der gleiche Schriftzug, der in großen Lettern am Gasometer über der Stadt thront und schon aus der Ferne für jedermann gut sichtbar ist. Und der unmissverständlich auf die industrielle Geschichte dieser Stadt hinweist. Noch.

Denn das Ende des Gasometers ist besiegelt. Globus wird auf dem Areal, auf dem sich derzeit noch ein kostenloser Parkplatz befindet, ein Warenhaus errichten (wir berichteten). Beim Blick auf die Baupläne des Konzerns wird deutlich, dass der Gasometer dabei keine Rolle mehr spielt. Das bestätigt die Globus-Pressestelle auf SZ-Anfrage. Saarstahl werde den Gasometer zurückbauen, heißt es knapp. Ansonsten könne man derzeit keine Informationen weitergeben. Wo der Gasometer steht, werden Globus-Kunden künftig tanken und ihr Auto waschen können.

Dass das blaue Bauwerk überhaupt noch in Betrieb ist, überrascht viele, wirkt es doch mit seiner Beleuchtung und dem Schriftzug schon längst wie ein Relikt vergangener Zeit, wie das imposante Herzstück des Hüttenparks, der allerdings weitaus weniger beeindruckend daher kommt.

Auch bei Saarstahl macht man keinen Hehl daraus, dass die Zeit der 1969 erbauten und 1970 in Betrieb genommenen Anlage bald endet. „Der Gasometer wird nach Durchführung der Ersatzinvestition – Saarstahl plant eine neue Anlage auf dem Werksgelände und nicht mehr innerhalb der Innenstadt – durch Saarstahl zurückgebaut“, teilt Pressereferentin Ines Oberhofer mit. Der Gasometer sei eine „operativ laufende Industrieanlage“ mit 80 000 Kubikmetern Inhalt zur Speicherung von Erdgas, das zur Erzeugung von Prozesswärme im Saarstahl-Werk Neunkirchen genutzt wird. Diese Versorgung sei unerlässlich für den Betrieb des Werkes und der Walzstraße im Werk Neunkirchen. „Überlegungen, in alternative Lösungen zu investieren, gab und gibt es“, heißt es weiter. Durch die Pläne des Baus eines neuen Globus in diesem Bereich hätten diese Pläne natürlich eine gewisse Dynamik bekommen. Schließlich will Globus das Gelände von Saarstahl übernehmen.

Dass die Stadt Neunkirchen großes Interesse daran hat, das Handelsunternehmen in die Kreisstadt zu holen, ist hinlänglich bekannt. Dass mit dem Gasometer „dieser identitätsstiftende Slogan verschwindet, ist ohne Frage sehr zu bedauern“, erklärt Bürgermeister Jörg Aumann. Allerdings sei nachvollziehbar, dass Globus das Gelände brauche und Saarstahl durch modernere Technik mittlerweile auf einen solch großen Gasbehälter verzichten könne. Der Grundstücksverkauf sei zudem eine Angelegenheit zwischen zwei Unternehmen, hier habe die Stadt keine Möglichkeit und auch keinen Grund, einzuschreiten.

Der Gasometer sei ein sogenannter Störfallbetrieb, der sehr personalintensiv gewartet werden müsse und trotz aller modernen Technik immer auch ein Gefahrenpotenzial mit sich bringe, zum Beispiel bei einer Explosion, verursacht durch einen Flugzeugabsturz. „Insofern bedeutet der Rückbau der Anlage mehr Sicherheit für unsere Stadt“, heißt es in der Mitteilung der Stadtpressestelle, in der ein Ankauf der Anlage durch die Stadt als „illusorisch“ bezeichnet wird. „Natürlich hätten auch wir gerne eine kulturelle Nutzung des Gasometers wie in Oberhausen mit Ausstellungen und Theaterevents ins Auge gefasst. Der dortige Gasometer wurde 1993/94 für 16 Millionen D-Mark umgebaut, 2002/3 komplett saniert und muss 2020 bereits schon wieder für zirka 14 Millionen Euro saniert werden. Die Unterhaltung eines solchen Denkmals verschlingt also Unsummen“, sagt Aumann. Zahlen, was eine Nutzung oder Übernahme des Neunkircher Gasometers die Stadt kosten würde, legt die Stadt nicht vor. Geld jedenfalls, das das Saarland nicht habe, und Geld, das die Kreisstadt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, lieber in Kitas und Schulen investiere, sagt Aumann. Hinzu komme, dass der Neunkircher Gasometer kein Denkmal sei, da er noch keine 50 Jahre alt ist, seine historische Relevanz sei daher minimal.

Der Gasometer steht nicht auf der Denkmalliste, das bestätigt das Landesdenkmalamt auf Nachfrage. Er zähle auch nicht zum geschützten Ensemble des Hüttenareals. Auch sei seine Denkmalwürdigkeit bisher nicht geprüft worden, unter anderem deshalb, weil bisher niemand vorgeschlagen hat, ihn unter Schutz zu stellen. Im Zuge des Planungsverfahrens für Globus habe es allerdings eine Anfrage ans Denkmalamt gegeben, ob es hinsichtlich der anvisierten Fläche irgendwelche Bedenken gebe. Diese gibt es nicht, weil auf dem Gelände nichts unter Schutz steht.

„Es ist gut und wichtig, dass das industrielle Erbe der Stadt auch der Nachwelt erhalten bleibt“, erklärt Bürgermeister Aumann, es werde aber immer eine Abwägung sein, in welchem Umfang, damit sich eine Stadt auch für die Zukunft weiterentwickeln könne.

Dieser Entwicklung scheint der Gasometer aus Sicht der Stadt im Weg zu stehen. Im Sommer 2020 sollen die Bauarbeiten beginnen, für Ende 2021 ist die Eröffnung des Marktes geplant. Ohne den großen Turm in der Nachbarschaft.

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