„Friedhöfe sind Facebook für ältere Frauen“

Neunkirchen · In der gut besuchten Neunkircher Gebläsehalle bekamen kürzlich nahezu alle ihr Fett weg. Die sehr ungleichen Damen, es Ään unn das Anner, präsentierten ihr aktuelles Programm „Knete, Kerle, Karma!“.

. Drei überdimensionale Stinkmorcheln sind das Erste, was einem auf der Bühne ins Auge fällt. Ein schönes Sinnbild - für alles und nichts, aber aus diesen Gedanken reißen einen ganz schnell und ganz laut und forsch und fröhlich sowieso die Aktricen Alice Hoffmann und Bettina Koch. Powerweiber, alle beide - daran lassen sie die nächsten Stunden keinerlei Zweifel, 54 Jahre (Koch) hin, 63 Jahre (Hoffmann) her. Vor unfassbaren 30 Jahren standen die Hessin und die Saarländerin schon mal nackt auf den Bühnen der Republik. Damals ging es um Erotik und Lust, heute eigentlich auch: "Ohne Kohle ist nichts los", war in der gut besuchten Gebläsehalle nicht nur ihr erstes Lied, sondern quasi die Kampfansage ihres Programms "Knete, Kerle, Karma !"

Dass sich die beiden so ungleichen Damen - da die Omi in der "guten" Kittelschürze, dort die auf jugendlich getrimmte Wechseljahre-Tussi in figurbetonter Verpackung ("das sind keine Speckröllchen, das ist erotische Nutzfläche") - ausgerechnet auf dem Friedhof treffen, hat Charme und Biss. Mann-los sind sie beide, wobei die "Ään" mit dem Thema durch ist, während die "Anner" noch hofft. "Friedhöfe sind Facebook für ältere Frauen", belehrt sie die Hoffmann und scannt die Grabreihen nach gut aussehenden Witwern. Als sie fündig wird, meint sie prompt "gefällt mir" und fügt süffisant an "Elvira will dein Freund sein". Knutschen könnte man sie dafür.

Natürlich kommen sie vom Hundertsten ins Tausendste, schütteln die deutsche Sprache durch, auf dass aus dem "Statistischen Bundesamt" das "Buddhistische Standesamt" werde und landen irgendwann in der Steinzeit. Ganz besonders viel Fett kriegten die Banker weg: etwa wenn ein Kleinstkredit-Nehmer dort nach allen Regeln der (Klein)Kunst über den Tisch gezogen wird. Im Übrigen: "Geld stinkt nicht. Oder haben sie schon mal einen 50 Euro Schein im Geldbeutel gesehen, der gerade von der Nachtschicht heim kommt", witzelte die Hoffmann. Was beim Auftritt am meisten verblüfft, war nicht der coole Rap oder die "Born to be wild"-Mähnen-Wurf-Nummer. Zwar hagelte es reichlich Zoten, nicht mal vorm Nachspielen eines so durchschnittlichen wie ernüchternden ehelichen Pflicht-Beischlafs wurde haltgemacht.

Doch bevor das Niveau endgültig abzugleiten drohte, hoben es die Damen flugs wieder mit Brechts "O Falladah" oder Glucks "Orpheus", was sich durchaus hören lassen konnte. Belohnt wurden die Beiden mit viel Applaus, auch für die Zugabe mit Unmengen Sprühsahne.

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