Freundschaft schließen mit den Buchstaben braucht Zeit

Neunkirchen · Für Februar hat das saarländische Bildungsministerium einen Erfahrungsaustausch zu den Grundbildungszentren im Land angesetzt. Neunkirchen wird seine Zahlen und Erkenntnisse einbringen.

In diesem Februar wird das Grundbildungszentrum Neunkirchen ein Jahr alt. Seine Aufgabe: Analphabeten eine Anlauf- und Beratungsstelle bieten, in Kleingruppen in geschützter Atmosphäre Lesen und Schreiben üben (wir berichteten). Inzwischen gibt es zehn Zentren landesweit (siehe "Hintergrund"). Das Neunkircher Zentrum steht in Trägerschaft von Katholischer Familienbildungsstätte (FBS) Neunkirchen und Katholischer Erwachsenenbildung (KEB) Saarbrücken, Außenstelle Neunkirchen .

Doch wie fällt die Bilanz in Neunkirchen nach einem Jahr aus? Die Resonanz auf das Angebot ist bislang schwächer gewesen als beim Start erwartet, wie Anne Schmidt (FBS) und Birgit Persch-Klein (KEB) auf SZ-Nachfrage feststellen.

Zehn Teilnehmer nehmen das niedrigschwellige Angebot wahr. Beweggrund ist meist das berufliche Weiterkommen. Derzeit laufen in der Marienstraße ein Alphabetierungskurs (ein geplanter zweiter Kurs wurde nicht gebraucht) und ein offener Lerntreff: "Manche gehen nur in den Kurs, andere in den Kurs und den Treff und wieder andere kommen nur zum Treff."

Auch das Neunkircher Zentrum hat sein Angebot gezielt beworben. "Wir sind sicher stärker ins Gedächtnis der Multiplikatoren gebracht worden", sagt Birgit Persch-Klein. Dazu gehört etwa auch die Arbeitsagentur. Wer geschickt werde, komme noch mit gewissen Zwang. Wer sich selbst melde, der habe sich schon mit der eigenen Existenz als Analphabet auseinander gesetzt und entschieden, das zu ändern. Zum Start der Landeskampagne wurde auf 7,5 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren hingewiesen, die keine zusammenhängende Texte lesen und schreiben können, im Saarland sind es 90 000.

"Die Grundbildungszentren haben sich in der Vergangenheit bewährt", heißt es auf SZ-Anfrage von Marija Herceg aus dem saarländischen Bildungsministerium . "Sie steigern Angebot und Nachfrage für Alphabetisierungskurse. Derzeitige Schätzungen ergeben, dass die Teilnahmezahl von zirka 800 in 2014 auf etwa 1200 in 2015 gestiegen ist."

"Ruhe bewahren, wenn wir wollen, dass die Dinge greifen, die wir uns vorgenommen haben", heißt es auch bei den Verantwortlichen im Neunkircher Grundbildungszentrum: "Die Hemmschwelle, Alphabetisierungsangebote anzunehmen, ist noch immer hoch. Es braucht Zeit, Geduld und einen langen Atem." Aber das gilt ja auch fürs Freundschaft schließen mit den Buchstaben, wenn einer mit ihnen nicht vertraut ist. In Kürze ist Gelegenheit, das Thema Grundbildungszentren zu diskutieren. "Für Februar ist ein Erfahrungsaustausch aller Akteure vorgesehen, auf dem eventuelle Änderungen besprochen werden sollen", kündigt Herceg an.

Zum Thema:

HintergrundDie Grundbildungszentren entstanden aus dem Grundbildungspakt Saar (www.saarland.de/grundbildungspakt.htm ). Zehn Zentren gibt es aktuell im Saarland. Die Ausgaben beliefen sich in 2015 auf rund 170 000 Euro, wie das Bildungsministerium auf Anfrage mitteilt. Zusätzlich wurden 70 000 Euro für das ESF-geförderte Projekt KLAR (arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung) des VHS-Verbandes und der KEB Saar ausgegeben. Für 2016 sind weitere 30 000 Euro eingeplant. cle

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