Prima Filme Filme, die den Menschen berühren

Neunkirchen · Filmforum am Tag vor der Rohrbach-Preisverleihung sorgte für ein Wechselbad der Gefühle: „Beat, Beat Heart“ und „Toter Winkel“.

 „Beat Beat Heart“  war einer der nominierten  Filme  beim Günter-Rohrbach-Preis. Hier eine Szene im Cinetower. 

„Beat Beat Heart“  war einer der nominierten  Filme  beim Günter-Rohrbach-Preis. Hier eine Szene im Cinetower. 

Foto: Thomas Seeber

. „Das ist ja wie daheim bei mir“, meinte Herbert Knaup aufgeräumt, als er an der Seite seiner Agentin Saal 2 betrat. „Gemütlich hier“, stimmte sie ihm lächelnd zu. Keine Spur von Provinz-Jetlag, obwohl man gerade erst angereist war: Ihr Flug ging von Berlin-Schönefeld nach Luxemburg, dort stieg man ins „Auto vom Oberbürgermeister“ um.

Die Zeit reicht noch für ein bisschen Smalltalk mit den netten Sitznachbarn. „Kuck mal, die haben Humor“, schäkert Knaup und fügt eine Spur ernster hinzu: „Jetzt lachen wir noch.“ Aber der Film werde „ziemlich hart“. Sagt’s und zückt sein Handy, um rasch daheim abzuklären, wer heute Abend mit dem Hund eine Runde Gassi geht.

Am letzten Vorführtag hat es noch mal ordentlich gemenschelt im Wasserturm. Was letztlich auch ein Stück weit den Reiz eines Kinofestivals ausmacht. Gestartet war das Filmforum mit der Sommer-Komödie „Beat Beat Heart“ – dem Regiedebüt von Luise Brinkmann, das ihr Studium an der Kölner Filmhochschule krönte. Mit einem „Kurzfilm-Budget“ von knapp 22.000 Euro war an 19 Drehtagen im August 2015 in der menschenleeren Landschaft der Uckermark gedreht worden. Hier, in einem heruntergekommenen Landgasthof, dessen großen Tanzsaal Kerstin (Lana Cooper) wieder herrichten will, kann man die gescheiterten Beziehungen dreier Frauen studieren. Den Gegenentwurf zur klassischen Paarkonstellation kultiviert Maya mit fast täglich wechselnden Sexualpartnern. „Sehnsucht macht dich unfrei“, weshalb sie lieber alle potentiellen Gefühlskollisionen großräumig umschifft.

Bei der Fragerunde im Anschluss wunderte sich jemand: „In dem Film geht es um Beziehungen, aber alle Protagonisten sind Single.“ Stimmt, nickte Regisseurin Brinkmann. „Meine Ausgangsfrage war: Wie sollen Beziehungen heute funktionieren?“

Viel Lob gab es aus den Zuschauerreihen, unter anderem für das mittels Tinder-Wald der einsamen Herzen visualisierte Geflirte in einer Online-Partnerbörse. Kaum zu glauben: Statt Drehbuch hatte Brinkman ihren Schauspielern nur ein 20-seitiges Konzept an die Hand gegeben, die Dialoge sind fast ausschließlich improvisiert. Cooper erinnerte sich, wie sie beim Dreh im Supermarkt von der Kassiererin angesprochen worden sei: „Sonst kommt hier nur die Angela her.“ Tatsächlich habe man die Bundeskanzlerin beim Baden am Teich getroffen, die Bodyguards in züchtiger Entfernung. „Ja, es kommen Anfragen“, bejahte Brinkman die Frage, ob ihr der Film Türen im Filmgeschäft geöffnet habe. Gerade in Amerika laufe der Film ziemlich gut. Trotzdem warte die 32-Jährige noch darauf, „als Regisseurin Geld zu verdienen“.

Was für Stephan Lacant kein Thema mehr sein dürfte. Zusammen mit Knaup stand er nach dem extrem dramatischen Ende – einer inszenierten Scheinhinrichtung – seines fürs Fernsehen produzierten Films „Toter Winkel“ Rede und Antwort. Und traf zunächst einmal auf atemloses Schweigen. Musste sich das Gesehene doch erst einmal setzen. Ein Film wie ein Tornado: Mit verstörender Selbstverständlichkeit und seltener Intensität zeigt Lacant die Gefahr der Alltäglichkeit des Bösen in der deutschen Mittelschicht. Knaup, der einen Frisör in einer Kleinstadt spielt, wird mit der Frage konfrontiert, ob sein Sohn ein rechtsradikaler Terrorist ist. Lange zweifelt er, hadert und nähert sich dennoch der brutalen Wahrheit, in dem er Zwiebelschicht für Zwiebelschicht entfernt. „Das hat mich wahnsinnig berührt“, sagt eine Besucherin unter beifälligem Gemurmel: „So etwas habe ich schon lange nicht mehr gespürt.“ Normalerweise geht man aus dem Kino und vergisst  fast  augenblicklich, was man gesehen hat. „Das hier ist anders, das holt man mit nach Hause.“

 Strahlendes Trio (v.l.) OB Jürgen Fried, Herbert Knaup und Bürgermeister Jörg Aumann bei der Eintragung ins Gästebuch.

Strahlendes Trio (v.l.) OB Jürgen Fried, Herbert Knaup und Bürgermeister Jörg Aumann bei der Eintragung ins Gästebuch.

Foto: Markus Müller

Herbert Knaup drückte seine Sympathie  mit der Filmstadt  Neunkirchen auch am Freitagnachmittag, kurz vor der Verleihungs-Gala des Günter-Rohrbach-Preises in der Gebläsehalle  (wir werden ausführlich berichten),  bei der Eintragung ins Gästebuch der Stadt aus. „Danke für die wunderbare Zeit in Neunkirchen! Ich habe mich sehr wohl gefühlt und komme gerne wieder “, schrieb der Schauspieler. Klar, dass das OB Jürgen Fried und Bürgermeister Jörg Aumann freute.

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