Experte fordert starke Behörde

Kreis Neunkirchen · Die Entwicklung der Jugendhilfe war gestern Thema im Kreistag. Dabei bekräftigte das Institut, das die bestehenden Strukturen überprüft, seine Forderung von mehr Personal im Jugendamt für qualitativ gute Arbeit.

Die Jugendhilfe ist ein Dauerbrenner im Kreistag. Kein Wunder, ist das Thema doch eines der zentralen Aufgabenbereiche des Kreises - und ein kostenintensiver noch dazu. Im Kreishaushalt sind die Kosten für Jugend- und Familienhilfe im laufenden Jahr mit 44,5 Millionen Euro veranschlagt, bei einem Gesamtetat von 152 Millionen Euro. Die Zahl der Inobhutnahmen ist seit Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 deutlich gestiegen. Wie die Kosten im Zaum gehalten und die Strukturen verbessert werden können, das soll das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism) herausfinden. Das ism hat dem Kreistag gestern Nachmittag einen weiteren Arbeitsbericht erstattet. Zwei zentrale Botschaften hat Heinz Müller, Geschäftsführer des Institutes, den Fraktionen dabei mitgegeben: Das Jugendamt braucht mehr Mitarbeiter, um den Menschen, die es betreut, besser und zielgenauer unter die Arme zu greifen. Zudem müssen nach seinen Ausführungen die soziale Infrastruktur, also all die bestehenden Angebote, auf die veränderten Familienstrukturen angepasst werden.

Müller war zuletzt im März mit einem Zwischenbericht zur Studie seines Hauses im Kreistag (die SZ berichtete). Auch damals erklärte er den teils verdutzten Kreistagsmitgliedern, die Kosten senken oder wenigstens im Griff halten, das ließe sich nur mit einer Stärkung des Jugendamtes erreichen, also letztlich mit Mehrausgaben fürs Personal . Gestern sprach er von einem Fünf-Jahres-Plan, in dem das Jugendamt zu einem "strategischen Zentrum" werden könne. Denn wenn ein Mitarbeiter mit voller Stelle neben anderen Aufgaben 70 bis 80 Fälle zu bearbeiten habe, sei er schlichtweg überlastet, mehr Familien in Not würden von freien Trägern begleitet. Vergleiche zwischen Städten im südwestdeutschen Raum belegten: Je besser die Ausstattung des Amtes, desto geringer sei die Höhe der Ausgaben. Und das bei vergleichbarer Sozialstruktur, sprich zu erwartenden Fallzahlen. Darüber hinaus erläuterte Müller, die auf den individuellen Fall bezogenen Hilfestrukturen bildeten nicht mehr die gesellschaftliche Situation von heute ab. Familienformen hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. In Neunkirchen etwa bekämen 20 Prozent der Alleinerziehenden Hilfen zur Erziehung, das sei deutlich überproportional. Weiterer Punkt: Kinder in armen Verhältnissen bedürfen besonders der Unterstützung. Das Jugendamt gewähre seine Hilfen gezielt dort, wo sie gebraucht würden, sagte Müller. Allerdings müsse man die Infrastruktur auf die heutigen Lebenslagen der Menschen abstellen. Es gebe viele Möglichkeiten der Unterstützung, sie müssten durchgängig aufeinander bezogen werden. Neben den individuellen Hilfen gelte es Kitas, Schulen, Jugendtreffs und Vereine zu stärken. Müller: "Das wäre ein ganz neues Konzept."

Lothar Dietz, CDU , sagte zur Idee, mehr Personal senke Kosten : "Sie setzen das Jugendamt erheblich unter Druck." Auf der anderen Seite der Runde erklärte Willi Kräuter, SPD : "Eine stationäre Unterbringung kostet im Jahr so viel wie eine Stelle." Den Ausführungen könne er deshalb eine gewisse Logik abgewinnen.

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Auf einen Blick Die Bevölkerung altert. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung bietet das Sozialministerium ein Förderprogramm an mit dem Titel "Seniorenlotsen". Der Kreistag Neunkirchen hat gestern Nachmittag einstimmig beschlossen, sich daran zu beteiligen. Das heißt, der Kreis stellt einen Förderantrag über 25 000 Euro für eine halbe Stelle (Seniorenlotse). Dieser Lotse soll schon im Dezember mit seiner Arbeit loslegen. Zugleich wird die Kreisverwaltung innerhalb dieses Programmes Zuschüsse für acht ehrenamtliche Seniorenlotsen beantragen über jeweils 2400 Euro. Die Förderung des Projektes ist zunächst auf ein Jahr ausgelegt. Der hauptamtliche Lotse wird dabei unter anderem die Arbeit der Ehrenamtler koordinieren und den Kontakt mit bereits bestehenden Strukturen wie Seniorenbeiräte oder Sicherheitsbeauftragte aufnehmen.mbe

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