Evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen Gott geht online – oder noch nicht

Neunkirchen · Oster-Feiern in Corona-Zeiten. Neunkircher Seelsorger sind offen für neue Kommunikationsformen. Die erforderten jedoch Technik und Üben, um es wirklich gut zu machen. Klick-Zahlen beeindrucken.

 Aufzeichnung eines ökumenischen Gottesdienstes aus Halle/Sachsen-Anhalt, den Gläubige online mitverfolgen konnten. Wegen der Corona-Lage finden derzeit keine öffentlichen Gottesdienste und Andachten statt.

Aufzeichnung eines ökumenischen Gottesdienstes aus Halle/Sachsen-Anhalt, den Gläubige online mitverfolgen konnten. Wegen der Corona-Lage finden derzeit keine öffentlichen Gottesdienste und Andachten statt.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Ihre Predigtstätten sind geschlossen. Gottesdienste mit der Gemeinde finden hier nicht statt. Wie feiert da die evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen in diesem Jahr, in dieser Corona-Krisenzeit das Osterfest? Können Streaming oder Telefonschalten eine Alternative sein? „Das ist spannend, weil wir uns da noch gar nicht so im Klaren sind“, sagen am Telefon auf SZ-Anfrage die drei Pfarrer der 9000-Seelen-Gemeinde – Michael Hilka (Seelsorgebezirk Mitte – Stadtmitte, Oberstadt), Uwe Schmidt (Seelsorgebezirk Süd - Furpach, Kohlhof) und Bertram Weber (Seelsorgebezirk Nord – Wellesweiler, Sinnerthal). Es gebe unterschiedliche Gedanken der Kollegen, die sich schon online ausprobiert hätten, sagt die Runde (www.evangelisch-in-neunkirchen.de/Videos-2).

„Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das nicht weitermachen will“, erklärt Uwe Schmidt. „Ich möchte keine Andachten und Gottesdienste in unseren Kirchen aufzeichnen. Erstens fehlt mir dazu die Professionalität. Und ich frage mich: Wen erreichen wir damit? Frau Müller um die Ecke, die das verfolgen kann, sagt vielleicht: Schön, da ist mein Pfarrer. Die Kerngemeinde, die in der Regel die Gottesdienste besucht, das sind überwiegend ältere Menschen, die nicht regelmäßig im Internet surfen oder Youtube-Kanäle suchen und schauen. Die erreiche ich nicht unbedingt.“ Gottesdienst lebe zudem davon, Gemeinschaft zu leben: „Wenn ich da allein vor der Kamera stehe und einen Gottesdienst feiere, dann fehlt da auch Atmosphäre. Und auch wenn der Pfarrer vorne fast alles alleine macht: Die Gemeinde ist dabei. Und es gibt nachher das Zusammensein.“ Er setze darauf, für Ostern Wege zu finden, persönlich zu kommunizieren, sagt Schmidt: „Das ist für mich eine Karte schreiben, und das sind für mich Anrufe.“

Kollege Bertram Weber sieht das ein bisschen anders: „Ich habe Audio- und Video-Andachten gemacht und habe da auch die Rückmeldung bekommen, dass die Menschen Trost empfunden haben über diese Andachten, Zuspruch erfahren.“ Und es sei wichtig, dass Menschen in dieser aktuellen Situation angesprochen, wahrgenommen würden, tröstende Worte hörten. Und manchen möge es gut tun, den Pfarrer auch noch zu sehen. Seine Online-Andacht hat Weber geteilt, an Gruppen in der Gemeinde geschickt, an die Konfirmanden, an Chöre, an die Notfallseelsorge - wo auch immer er vernetzt ist. Weber will diesen Weg in der Osterwoche weitergehen. „Wir haben im Kollegenkreis besprochen, dass ich weiterhin Videos aufnehme und die Botschaft in die Gemeinde gebe.“ Seine Videobotschaft aus der letzten Woche haben sie auch noch in Papierform gedruckt für die, die keinen Zugang haben, und an die über 75-Jährigen in Wellesweiler verteilt.

Skepsis dagegen auch bei Michael Hilka: „Ich bin ja eigentlich sehr Technik-affin. Und ich fand das auch ganz spannend mit dem Video, weil ich dachte, man muss sich auf diesem Gebiet auch mal auskennen und ein bisschen bewegen, in der Gemeinde online zu sein. Aber nach dem ersten Video hab ich gesehen, ich bin kein typischer Influencer, die sonst auf Youtube auftreten, und die Präsentation war irgendwie suboptimal. Ich möchte das nicht mehr.“ Die Klick-Zahlen haben Hilka aber beeindruckt: „Wir hatten 200 Leute, die sich die Videos angeguckt haben. Das sind mehr, als man sonst über den Gottesdienst erreicht. Aber den persönlichen Kontakt finde ich doch wichtiger. Ich werde für Ostern versuchen, die Leute in den Gruppen und Kreisen und die Gottesdienstbesucher auch persönlich zu erreichen. Ich denke auch, ich werde etwas schreiben, einen Ostergruß schicken.“ Aber ein Video zu Ostern sei es nicht für ihn: „Ich glaube, man muss die Botschaft präsentieren können, man muss sich präsentieren können und man braucht auch das nötige Equipment, die nötige Technik.“

 Die Seelsorger Uwe Schmidt, Bertram Weber und Michael Hilka (v.l.) saßen beim Telefongespräch mit der SZ im Gemeindeamt Heizengasse zusammen.

Die Seelsorger Uwe Schmidt, Bertram Weber und Michael Hilka (v.l.) saßen beim Telefongespräch mit der SZ im Gemeindeamt Heizengasse zusammen.

Foto: Uwe Schmidt

 „Streaming für Einsteiger“, digitale Gottesdienste, Presbyteriumssitzung als Videokonferenz, digitaler Klingelbeutel - das und noch viel mehr findet sich als Download-Titel auf den Seiten der Landeskirche Rheinland (www.news.ekir.de). Die Neunkircher Seelsorger schauen drauf. Sie testen auch einiges („Nicht immer funktioniert die Technik“). Aber sie glauben: Um es gut zu machen, braucht es Üben. Für Ostern, sagt Hilka, reiche ihm da die Zeit nicht. Schmidt sagt: „Ich würde in meinem Osterschreiben auch auf die Videos des Kollegen Weber verweisen, aber auch auf Fernsehgottesdienste und Radiogottesdienste. Und auch im Kirchenkreis West und Ost wollen wir abwechselnd einen Gottesdienst streamen.“ Keiner des Trios stelle sich neuen Kommunikationsformen und –wegen entgegen, so Schmidt. Und die Entwicklung werde da nach Corona sicher weitergehen. Doch im Moment beobachte er „fast schon Aktionismus“: „Das kommt aus der Angst, wenn drei Monate Stille ist und keiner die Kirche vermisst.“ Aber das werde nicht so sein: „Gruppen freuen sich, wenn sie sich wieder treffen. Wir haben viele, die drauf warten, dass ihr Kind getauft wird, dass sie ihre Trauung feiern können. Die Begleitung von Trauernden findet sowieso statt. Ich bin da ganz zuversichtlich, dass wir als Kirche nicht vergessen werden oder untergehen durch diese Krise.“

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