„Es geht um direkte kommunale Demokratie“

Neunkirchen · Der Neunkircher Landrat sieht keine großen Einsparpotenziale im Fall einer Zusammenlegung von Kreisen.

 Das Landratsamt des Kreises Neunkirchen in Ottweiler ist für viele Aufgaben zuständig. ArchivFoto: Andreas Engel

Das Landratsamt des Kreises Neunkirchen in Ottweiler ist für viele Aufgaben zuständig. ArchivFoto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Die saarländischen Unternehmensverbände haben in einer Allianz für Reformen eine erneute Diskussion über die Verwaltungsstrukturen und insbesondere die Kreise angestoßen. Nach dem Vorbild Hannover könnte ihrer Meinung nach ein Mega-Landkreis um Saarbrücken entstehen. Eine gute Idee?

Meng Die Veränderung von Verwaltungsstrukturen ist immer ein beliebtes Diskussionsthema. Diskussionen sind wichtig in einem demokratischen Prozess, allerdings sehe ich keine Vorteile in einem Mega-Landkreis. Denn auch ein Mega-Landkreis braucht zentrale Verwaltungen und eine Verwaltungshierarchie. Einsparpotenziale kann ich mir hier nicht vorstellen. Für die Bürger ist die unmittelbare Erreichbarkeit unserer Verwaltung wichtig. Darüber hinaus ist unser Landkreis ein Motor der Integration und der Teilhabe aller.

Die Existenz der Kreise wird immer mal wieder in Frage gestellt. Das Hesse-Gutachten schlug 2004 eine Reduktion auf drei Kreise vor, das Junkernheinrich-Gutachten hat vor zwei Jahren auch Einsparungen im Verwaltungssektor eingefordert. Steter Tropfen höhlt den Stein, heißt es im Volksmund. Steht die Reform der Kreise früher oder später vor der Tür?

Meng Unsere Landkreise haben sich seit über 200 Jahren bewährt. Sie sind funktionierende Verwaltungseinheiten, Partner der Städte und Gemeinden und die untere Ebene unseres Sozialstaates. Im Gegenteil, die Aufgaben der Landkreise sind in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. Bund und Land haben auf die Landkreise Aufgaben verlagert, oftmals ohne einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Die Untersuchung einer Kreisgebietsreform in Sachsen hat ergeben, dass es keine Einsparpotenziale durch das Zusammenlegen der Kreise gab. Im Gegenteil, die Kosten stiegen. Unsere Kreisverwaltungen befinden sich kontinuierlich im Wandel: Der Einzug der Digitalisierung, die Verschlankung von Verwaltungsstrukturen und -abläufen sind immer ein Reformprozess, deshalb werden sich unsere Kreise auch in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter verändern.

Die Unternehmer-Allianz spricht von 30 Millionen Einsparpotenzial. Ist das dann völlig aus der Luft gegriffen?

Meng Wir Landkreise leisten zu über 95 Prozent Pflichtaufgaben, die auf gesetzlichen Vorgaben basieren. Eine Überprüfung der saarländischen Landkreise und den Regionalverband durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC soll nun konkrete Zahlen liefern. Durch diese Untersuchung soll die wichtige Arbeit unserer Kreisverwaltung noch transparenter und vergleichbarer werden. Die Ergebnisse werden in einem Jahr erwartet.

Böse Stimmen sagen, die beiden großen Parteien halten an den Strukturen fest, weil das auch Spitzenjobs für ihre Mitglieder bedeutet. Was entgegnen Sie?

Meng Auch ein Mega-Landkreis bräuchte dezentrale Verwaltungsstrukturen mit Verwaltungschefs, denn die Arbeit und die Aufgaben blieben ja und müssen koordiniert werden. Es ist wichtig, das die Bürgerinnen und Bürger Ansprechpartner vor Ort haben, damit ihre Anliegen, die existenzielle Fragen beinhalten, schnell geklärt werden. Darum geht es und um nichts anderes. Es geht um direkte kommunale Demokratie, um Bürgerfreundlichkeit und die sehe ich bei dieser Diskussion hier gefährdet.

Wenn die Gewerkschaft verdi von zu großen Maschen bei einer Zusammenlegung und Stellenabbau spricht, trifft das eher Ihre Zustimmung?

Meng Ich teile die Meinung der Gewerkschaft. Es ist wichtig, dass Menschen, die staatliche Hilfe brauchen, unmittelbar betreut werden. Daher ist die flächendeckende Daseinsvorsorge sehr wichtig. Dies stellen die Landkreise sicher.

Bei allen Bemühungen wächst der Haushalt des Kreises Neunkirchen doch von Jahr zu Jahr. Muss man das einfach hinnehmen? Oder sehen Sie eine Chance, das Ruder zu wenden? Bei der Jugendhilfe gibt es ja bereits konkrete Vorschläge, Dinge zu ändern.

Meng Dass der Haushalt wächst, hat nichts mit der Kernverwaltung zu tun, sondern mit unseren Aufgaben. Unsere Gesellschaft ist im Wandel und dieser gesellschaftliche Wandel zeigt sich auch am wachsenden Kreishaushalt. Die Menschen werden älter und müssen oftmals im Alter stationär betreut werden. Dies schlägt auch bei den Hilfen zur Pflege zu Buche, da die Rente meist nicht ausreicht. Die Familienstrukturen haben sich verändert, was auch Auswirkungen auf unsere Jugendhilfe hat. Bund und Land haben uns immer wieder mit neuen Aufgaben betraut und finanziell nicht angemessen ausgestattet. Hinnehmen wollen wir steigende Ausgaben nicht, derzeit sind wir in der Tat gemeinsam mit dem Institut für Sozialpädagogische Forschung in Mainz dabei, unsere Jugendhilfe neu zu strukturieren. Es wird eine Zeit dauern, bis man auch finanzielle Auswirkungen erkennen kann. Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, Herausforderungen zu erkennen und anzunehmen. Die Landkreise alleine - und natürlich die Kommunen über die Kreisumlage - können das nicht stemmen. Hier sind alle Kräfte in unserem Land gefordert.

 Landrat Sören Meng Foto: Kreis/Singer

Landrat Sören Meng Foto: Kreis/Singer

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Die Fragen stellte Michael Beer

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