Eine Wand, die für den Frieden wirbt

Neunkirchen · An einer Stelle, wo vor genau 70 Jahren Menschen bei einem Luftangriff des Zweiten Weltkriegs ums Leben kamen, ist gestern eine „Wand der Erinnerung“ eingeweiht worden. Das Ehepaar Specht ließ dieses Mahnmal an der Neunkircher Röntgenstraße errichten, es ist integriert in den dortigen „Nachbarschaftsgarten“. In Ansprachen klang der aktuelle Bezug zu den Bürgerkriegsflüchtlingen an, die heute nach Deutschland kommen.

 Fenster in die Vergangenheit: Christel und Jürgen Specht mit Theophil Braun (vorne) vor der „Wand der Erinnerung“ in der Röntgenstraße. Foto: Willi Hiegel

Fenster in die Vergangenheit: Christel und Jürgen Specht mit Theophil Braun (vorne) vor der „Wand der Erinnerung“ in der Röntgenstraße. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Am 4. November 1944 rauschten die amerikanischen Weltkriegsbomber auf einer anderen Flugroute als bei vorherigen Angriffen auf Neunkirchen zu. Es blieb kaum Zeit zur Alarmierung, die Bewohner wurden in ihren Häusern überrascht, es gab viele Tote. Unter ihnen auch die Mutter und drei Geschwister des zehnjährigen Theophil Braun, der selbst schwer verletzt von einem Helfer in das St.-Josefs-Krankenhaus getragen wurde. Braun stammte aus der Röntgenstraße 11, sieben Häuser in dieser Ecke wurden damals zerstört.

Exakt 70 Jahre später konnte Theophil Braun gestern der Einweihung einer "Wand der Erinnerung" an eben dieser Stelle beiwohnen. Dort ist heute der "interkulturelle Nachbarschaftsgarten" des Familien- und Nachbarschaftszentrums (FNZ)/Mehrgenerationenhaus Neunkirchen . Die Wand - ehrenamtlich errichtet von Freddy Heiser und Bernd Schneider - enthält ein "Erinnerungsfenster" mit zwei Fotos der Röntgenstraße in Kriegszeiten und einem Text von Jürgen und Christel Specht. Die Wand solle "ein sichtbares Zeichen für Schwerter zu Pflugscharen" sein, heißt es da unter anderem, und: "Im Krieg gibt es nur Verlierer!"

Das Ehepaar Specht ist Initiator der "Wand der Erinnerung". Es hatte im April zu seiner goldenen Hochzeit um Spenden statt Geschenke gebeten und kam dann auf die Idee, dieses Projekt umzusetzen, wie Jürgen Specht gestern vor einigen Dutzend Zuhörern berichtete. Man sei auf offene Ohren beim FNZ, bei Stadtteilmanager Wolfgang Hrasky und der Stadt selbst gestoßen. Auch Heimatforscher Horst Schwenk habe das Anliegen unterstützt. "Die Erinnerungen sind viel zu wertvoll, als dass sie mit den Zeitzeugen sterben sollten", so Specht, der den Luftangriff vor 70 Jahren selbst miterlebt hatte.

Die Spechts, die sich seit vielen Jahren - unter anderem beim Bürgerstammtisch Unterstadt - für ihre Stadt einsetzen, zeigten sich bewegt von der Anerkennung, die ihnen zuteil wurde. Auf sie gemünzt führte Uwe Schmidt, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen , eine Aufforderung des alttestamentarischen Propheten Jeremia an: "Suchet der Stadt Bestes".

Der städtische Beigeordnete Sören Meng wie auch der Kreisbeigeordnete Gerd Rainer Weber betonten in kurzen Ansprachen, welch wichtiges Gut Frieden sei. Beide schlugen einen Bogen zu den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und Eritrea, die heute zu uns kommen. Meng: "Nehmen wir diese Menschen in unsere Gesellschaft auf, zeigen wir uns gastfreundlich und tolerant - dann haben wir den ersten Schritt für ein friedliches Miteinander getan."

Die kurze Zeremonie umrahmten getragene Weisen aus den Instrumenten dreier gestandener Blechbläser der Stadtkapelle Neunkirchen .

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