Eine Klasse fürs Leben

Neunkirchen · Seit 50 Jahren trifft sich die Mädchenabschlussklasse der Realschule Neunkirchen mindestens zweimal pro Jahr. Auch ihr ehemaliger Lehrer ist mit dabei. Auch wenn er schon 94 Jahre alt ist.

 Noch immer eine Clique: die Mädchenabschlussklasse der Kreisrealschule Neunkirchen 1965, mit ihrem Klassenlehrer Hans Rixecker. Foto: Anika Meyer

Noch immer eine Clique: die Mädchenabschlussklasse der Kreisrealschule Neunkirchen 1965, mit ihrem Klassenlehrer Hans Rixecker. Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

"Er kommt!", ruft die Frau, die im Eingang steht,0 und plötzlich schauen alle auf, wiederholen die Meldung und laufen ein bisschen aufgeregt umher. Unwillkürlich muss man sich vorstellen, wie sie als Mädchen im Klassensaal herumgesprungen sind, bis die eine, Spalierstehende, verkündet hat, dass der Lehrer im Anmarsch sei. "Lehrer" sagen sie heute allerdings nicht mehr. Das würde nicht mehr so recht passen, 50 Jahre nach ihrem Abschluss an der Kreisrealschule Neunkirchen im März 1965. "Der Chef kommt" heißt es jetzt, wo Hans Rixecker 94 Jahre alt ist, die Frauen zwischen 65 und 70 und wo das Lehrer-Schülerinnen-Verhältnis längst einer dicken Freundschaft gewichen ist.

Ein Klassentreffen alle zehn Jahre, das könnte sich diese Klasse nicht vorstellen. Zwei Mal im Jahr muss es bei ihnen sein. "Dann erschrickt man nicht so sehr, wie alt alle geworden sind", scherzt Pia Michels, die die Treffen zusammen mit Eva Bauer organisiert. Aber das ist natürlich nicht der einzige Grund: "Wir mögen uns einfach, bei uns gibt es keine Zwistigkeiten." An diesem Samstagmorgen hat man sich im Café Krauser in Neunkirchen zum gemütlichen Frühstück getroffen.

Den "Chef" hat man, Einwände ignorierend, auf den Ehrenplatz am Kopfende der Tafel gesetzt. Fotos werden aus den Handtaschen geholt und herumgereicht. Besonders das Abschlussfoto sieht man sich gerne noch mal an: In schicken, schmal geschnittenen Kleidern stehen die Mädchen da, teilweise mit Blumen in der Hand, sichtlich stolz. Da kommen Erinnerungen hoch: "Die Mädchen waren für Streiche immer zu haben", erzählt Rixecker. "Aber sie kannten ganz genau ihre Grenzen, das war ihre große Kunst."

Besonders gerne erinnern sie sich an die Französischlehrerin. Die mit dem Eppelborner Akzent im Französisch und dem streitbaren Charakter. "Ich hatte immer Spickzettel in den Strumpfhosen. Sie wusste das und hat mir manchmal einfach den Rock hochgehoben", erinnert sich Gabi Lengler unter großem Gelächter. Rixecker hört amüsiert zu. Auch mit 94 weiß er noch genau, wer "die Teufel in der Klasse" waren. Ursula Hager erinnert sich an einen besonders gelungenen Streich mit der Französischlehrerin: "Einmal haben wir die Vorhänge zugezogen und den Klassenraum komplett abgedunkelt. Direkt hinter die Tür haben wir das Skelett aus dem Bio-Saal gestellt. Die Lehrerin hat sich fürchterlich erschrocken." Die Quittung bekamen sie auf ihren Zeugnissen.

Von den ursprünglich 35 Schülerinnen sind leider bereits welche verstorben, andere sind weit weggezogen. Eine Freundin, die jetzt in Griechenland wohne, schicke immer Grüße, erzählen die Frauen. Der harte Kern, der an diesem Tag im Café Krauser sitzt, scheut jedoch keine Mühen: Nicht nur aus dem gesamten Saarland, auch aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen sind sie gekommen.

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