In der Gebläsehalle Ein Mix aus Fantasy, Musical und Märchen

Neunkirchen · Johannes Steck und die Könige der Spielleute, Corvus Corax, präsentierten den „Fluch des Drachen“ vor 770 Fantasy-Fans.

 Fantastical "Der Fluch des Drachen" in der Gebläsehalle Neunkirchen

Fantastical "Der Fluch des Drachen" in der Gebläsehalle Neunkirchen

Foto: Thomas Seeber

„Eine Reise wartet auf uns“, orakelt der schlanke Fünfzigjährige, den sein edler Smoking zwischen all dem Mittelalter-Inventar und -Personal wie aus der Zeit gefallen wirken lässt. „Eine Reise voller Gefahren, Liebe, Intrigen – und Musik.“ Diese charismatische Stimme hat man garantiert schon mal gehört. Irgendwann, irgendwo in den Medien. Oder im Zweifelsfall im November 2016 hier am selben Ort, wo Schauspieler Johannes Steck mit den Jungs von Corvus Corax „Die Zwerge“ zelebrierte – eine von zig Fantasy-Geschichten aus der Feder des saarländischen Bestseller-Garanten Markus Heitz. Jetzt hat die Trinität wieder zugeschlagen: Gemeinsam entwickelten Autor, Band und Sprecher auf Grundlage des Romans „Der Fluch des Drachens“ erstmals ein „Fantastical“, das Heitz im Gespräch mit der SZ mal als „Mischung aus Fantasy, Musical und Märchen“ bezeichnete. Jedenfalls scheint es einen Nerv zu treffen: 770 Besucher füllten die Gebläsehalle am Freitagabend – nach Düsseldorf mit knapp 1000 Zuschauern der zweitgrößte Gig der Tournee, wie Jürgen Mayer von der gastgebenden Kulturgesellschaft zufrieden verriet. Zumal man noch einen besonderen Coup zu bieten hatte: Kommt doch Heitz’ neuester Wälzer „Die Klinge des Schicksals“ ganz offiziell erst am 1. März in den Handel. Für Neunkirchen machte der Verlag indes eine Ausnahme, freute sich Mayer diebisch. Der Autor selbst war vor Ort und signierte fleißig sein druckfrisches, 576 Seiten schweres Werk.

Da war das Spektakel nebst Zugabe schon Geschichte: Schmied Adamas (Marcus Gorstein), ein Halbdrache (!), flieht aus der Heimat und schickt sich an, die sieben Aufgaben von Phillip dem Schönen (Corvus-Corax-Frontmann Castus) zu lösen. Dank eines genialen Schachzugs – Adamas löst zunächst die letzte Aufgabe, zwei tölpelhafte Riesen zu bezwingen, und findet in der Höhle der toten Giganten die restlichen sechs magischen Artefakte – ist dieser Teil überraschend schnell abgehakt. Für die nötige Spiellänge sorgten unter anderem der Adamas nach dem Leben trachtende Schwertkämpfer Leander (Frick) und dessen in Liebe zum Schmied entbrannte Tochter Leandra (Maxi Kerber), Ji-In Cho als Hexe Runa mit dem Hang, sich in eine völlig deplatzierte putzige kleine Robbe zu verwandeln, sowie Katja Moslehner als so falsche wie schöne Königstochter Marlies.

Nun reißt Erzählen, selbst wenn es ein so begnadeter Sprecher wie Steck übernimmt, heute kaum noch jemanden vom Hocker. Anders sieht es da schon aus, kombiniert man den Vortrag mit satter Licht- und Tontechnik, Schatten- und Schauspiel. Mimisch mutete das bisweilen wie ein Klassenspiel an, hatte aber Charme. Klasse die Zeitlupen-Szene, wo des Schmieds Hammer mit einer 360-Grad-Drehung alle Gegner außer Gefecht setzt. Oder die Idee, Zuschauer auf die Bühne zu holen: Dort durften Ralf und Julia Palastwachen mimen. Nicht zu vergessen die großartige, magisch kraftvolle Corvus-Corax-Musik,  die von archaischen, größtenteils selbstgebauten Instrumenten erklang.

Davon hätte der Abend durchaus noch viel mehr vertragen. Stattdessen überwog jedoch das Musical-Element: süßlich-poppige Herz-Schmerz-Liedchen, deren Schüttelreime in ermüdenden Endlosschleifen zu Synthesizerharmonien geschmachtet wurden. Nicht wirklich besser machte es Stecks Überagieren. Mit seinem steten Kommentieren und Bespaßen katapultierte er die Zuschauer ulkversessen immer wieder aus der Geschichte raus.

Womit letztlich alles auf die Frage hinauslief, was man erwartet: Eingefleischten Corvus-Corax-Fans ist der Musicalverschnitt möglicherweise recht böse aufgestoßen. Tatsächlich verabschiedeten sich einige in der Pause gen Parkplatz: „Es war ein Experiment, ein nicht gelungenes“, meinte ein Ehepaar im Gehen. Doch der Mehrzahl der Besucher gefiel das Spektakel, was Standing Ovations und viele zufriedene bis wahrhaft glückliche Gesichter bezeugten.

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