Ein bewegender Abend mit „schwerer Kost“

Neunkirchen · Nur mit viel Glück und Geschick überlebte Walter Löb das „Dritte Reich“. Jahrzehnte später schrieb er seine Geschichte auf. Die war nun Thema in Neunkirchen.

Es sei "ein schwierigen Thema", aber auch ein interessantes und wichtiges. Damit begrüßte Edith Riefer-König die Zuhörer in ihrer Buchhandlung - wo sich ein ganz anderes Bild als wenige Tage zuvor beim "ausverkauften" Hauskonzert mit Amby Schillo und Andreas Puhl bot. Tatsächlich war es "schwere Kost", die Willi Portz und Reinhold Strobel vom Adolf-Bender-Zentrum Saarbrücken mitgebracht hatten. Stellten sie doch die Autobiographie des 2014 verstorbenen Saarlouiser Walter Löb vor. Geboren 1928 als ältestes von sechs Kindern, musste er zehn Jahre später miterleben, wie Saarlouiser Nazis seinen jüdischen Vater in der Reichskristallnacht aus dem Haus prügelten, um ihn später nach Dachau abzutransportieren.

Bevor dieses schwärzeste Kapitel deutscher und regionaler Geschichte lebendig wurde, griff Walter Müller zur Gitarre. Mit viel Empathie interpretierte er das jiddische Lied "Dos Kelbl" ("Donna, Donna"), das von gefesselten Kälbchen erzählt, die zur Schlachtbank geführt werden. Ein Bild, das ganz besonders auf Löbs Schwester Marlies zutraf. Kleinwüchsig und lispelnd, wurde sie im Rahmen des Euthanasie-Programms von Amts wegen in die "Heilanstalt" Hadamar eingewiesen. Einmal besuchten Walter und seine Mutter Marlies in Hadamar. Das Mädchen erzählte von Spritzen, die ihr sehr weh tun. Der Versuch, die kleine Schwester zu retten und mit nach Hause zu nehmen, scheiterte. Nur mit viel Glück und Geschick überlebte Walter das "Dritte Reich" - mit Hilfe des französischen Widerstands und, kurz vor Kriegsende mit falschen Personalien gemustert, als Kindersoldat.

Nach 1945 arbeitete Löb als Kraftfahrer, die letzten zehn Jahre als freigestellter Vertrauensmann, "weil er sich für andere einsetzte". Seine Biographie behielt er stets für sich, "selbst die besten Freunde wussten nicht viel", so Portz. Er lernte Walter Löb kennen, als 2011 Stolpersteine in Saarlouis verlegt wurden, darunter einer für Marlies in der Schwarzochsenstraße. Löb hätte sich lieber eine Gedenktafel gewünscht. Doch Doris Deutsch, die in der Buchhandlung anwesend war, überredete ihn damals: "Du Walter, das ist was Gutes." Später habe er den Stein liebevoll gepflegt, die Messingplatte regelmäßig poliert. Und plötzlich war der Damm gebrochen. "70 Jahre nach der Reichsprogromnacht konnte er erst seine Geschichte erzählen." Das aber immer und immer wieder als Zeitzeuge in Schulveranstaltungen . Schließlich schrieb er alles auf: Zitate aus dem Büchlein, vorgetragen von Reinhold Strowel, und die musikalische Begleitung gaben der Veranstaltung eine intensive Note. Ein bewegender Abend, bestätigten viele der Gäste.

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