Ein Besuch wider das Vergessen

Neunkirchen · Es war im April 1944 in der ungarischen Kleinstadt Baktalórántháza . Die Eltern und ihre drei Kinder hatten sich um den Tisch versammelt, man feierte das Passahfest. Da sagte die Mutter ganz ruhig "Wir müssen unser Haus verlassen.

 Leslie Schwartz trägt sich ins Goldene Buch des Landkreises Neunkirchen ein. Foto: Andreas Engel

Leslie Schwartz trägt sich ins Goldene Buch des Landkreises Neunkirchen ein. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Und ich weiß nicht, für wie lange." Am nächsten Tag wurde die Familie in das Ghetto Kisvarda deportiert, im Mai dann nach Auschwitz. Zurück kam nur einer: Leslie oder "Lazarus" , wie er genannt wird, weil er "von den Toten auferstanden ist".

Inzwischen wohnt Leslie Schwartz in New York und Florida. Doch er kommt immer wieder in das Land seiner Peiniger zurück, um jungen Leuten sein Schicksal zu erzählen. Anfang der Woche besuchte der 85-Jährige Schulen in Saarlouis und St. Wendel, Dienstagabend trug er sich im Historischen Sitzungssaal des Landratsamtes ins Goldene Buch des Landkreises ein. Zitiert wird darin ein Satz aus seiner Biographie: "Die Gründe, warum ich die Hölle überlebt habe, sind in dem Verlangen zu sehen, meine Geschichte zu erzählen."

Es waren sehr emotionale Momente, in denen Schwartz zunächst auf Deutsch - eine Sprache, die er im Konzentrationslager erlernt hat - und später auf Englisch, um Fassung ringend, aus seinem Leben berichtete. Wie er von seiner Familie auf der berüchtigten Rampe in Birkenau getrennt wurde, wie ihn Dr. Mengele nach seinem Alter fragte und er sich geistesgegenwärtig drei Jahre älter machte, von der Zwangsarbeit , den Todestransporten, aber auch von jener Frau Riesch, die dem halbverhungerten Jungen im Außenlager Allach, wo er als eine Art Assistent den Oberscharführer zu bedienen hatte, immer Brot zusteckte.

Es gibt viele Parallelen zwischen Leslie Schwartz und Alex Deutsch, darauf wies Beigeordneter Karlheinz Müller hin. "Beide haben den Holocaust überlebt, beide sind nach Amerika ausgewandert." Aber beide fanden auch den Weg zurück, um als Augenzeuge der jungen Generation die unvorstellbaren Ereignissen zu schildern. Was diese dankbar annimmt, freute sich Schwartz, der sich bisweilen wie ein Popstar fühlt, wenn Jugendliche ihr Handy zücken und sich mit ihm fotografieren. Schwartz' Besuch im Saarland war ihm eine ganz besondere Ehre. Wurde doch am Montag und Dienstag weltweit das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana begangen. "Für mich gibt es keine bessere Art zu feiern, als hier zu sein", betonte er.

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