Musical in Zahlen Drei Kilometer Kabel – und noch viel mehr

Am Freitag hat das Musical-Projekt Neunkirchen Premiere mit „The Producers“. Die SZ blickte hinter die Kulissen der Hauptprobe.

 Zwölf unermüdliche Puderfeen sorgen dafür, dass die Darsteller das richtige Make-up zur rechten Zeit haben.

Zwölf unermüdliche Puderfeen sorgen dafür, dass die Darsteller das richtige Make-up zur rechten Zeit haben.

Foto: Jörg Jacobi

Sie ist groß, richtig groß, diese schwarz-weiß gestreifte „Knackihose“. Simone Georg könnte sich glatt darin einwickeln.  „Das ist ja XXXXL“, lacht Martina Schneider, schnappt das Teil und ordnet es ein. Georg und Schneider sind die Herrinnen über Kostüme und Requisiten beim Musical-Projekt Neunkirchen. Ihr „Zuhause“ für die nächsten zweieinhalb Wochen bis zur Derniere von „The Producers“ ist ein Container. Im vierten Jahr schon, so erinnert sich Musical-Urgestein Georg, hat man sie ausgelagert. „So lange das Wetter gut ist, ist das kein Problem“, sagt Schneider. Wenn es regnet, müssen die Darsteller den kurzen Weg vom hinteren Eingang in die Gebläsehalle bis zum Container eben durch Pfützen waten.

Beim Besuch der Saarbrücker Zeitung am Montagabend, dem Tag der ersten Hauptprobe, ist noch alles eitel Sonnenschein. Für die übrigen Probenabende und die insgesamt acht Aufführungen heißt es hoffen. Schneider und Georg sind „die ersten, die kommen und die letzten, die gehen“. Ihre Schicht beginnt um 17 Uhr – nach dem Dienst, mit dem sie ihre Brötchen verdienen. Ende ist so gegen Mitternacht. „Da hat man irgendwo morgens im Job dicke Augen, das bleibt nicht aus“, weiß Georg. An diesem frühen Abend der ersten Hauptprobe ist man davon noch weit entfernt. Da gilt es erst einmal noch die letzten Teile zusammenzufügen. Die künstlerische Leiterin und Choreografin Ellen Kärcher kommt mit knallgelben Kleidchen über dem Arm. Georg ist entzückt. Genau so hatte man sich das vorgestellt. Die Kleider werden einsortiert, entlang von Container-Wänden hängen rund 250 Kostüme, durch Namenskennung voneinander getrennt.

„Im Fundus haben wir noch mehr. Das ist aber das, was hier gebraucht wird“, erklärt Georg. Viele Kostüme sind es in diesem Jahr. Jeder der 50 Darsteller hat mindestens zwei, einige wie Jannik Rosinus und Vanessa Wichterich ziehen sich bis zu sechs Mal um. Und da zu jedem Kostüm auch die passenden Schuhe gehören, mangelt es im Container auch daran nicht. „Allein die Tänzer haben zum Teil drei bis vier paar Schuhe“, rechnet Schneider im Kopf durch. „Acht Tänzer sind immer dabei, haben je vier Paar, in der großen Szene sind es 16 Tänzer, die alten Damen sind 22.“ Mittlerweile trudeln die Darsteller nach und nach ein, holen jeweils armvoll ihre Kostüme ab. Von Georg gibt es an diesem Tag ein kleines Tütchen dazu: „Für den Kleinkram.“ Auch wenn Schneider und Georg als Leiterinnen für Kostüme und Requisite am meisten eingespannt sind, so haben sie doch fleißige Helfer, die zur Hand gehen: Heike Lismann-Gräs, Robert Liebig, Marco Rudolph und im Vorfeld noch Silke Freudenberger und Linda Panter.

Auch die „Herrin der Nadel“, Birgit Spaltmann, gehört zusammen mit Silvia Schenk zum Team. Diese beiden Damen haben gleich hinterm Bühneneingang links, dort wo kistenweise Kabel und Steckverbindungen in Regalen lagern, ein eigenes Stübchen. Bügelbrett und Nähmaschine sind ihr (Hobby-)Handwerkszeug. Spaltmann ist direkt von der Arbeit gekommen, hatte sich die Zeit fürs Umziehen gespart. In diesem Stübchen werden die Kostüme angepasst, wird so manches Teil enger, weiter, kürzer. Hier wird auch während der Aufführungen so manch aufgeplatzte Naht genäht, so mancher Knopf wieder angebracht und dies und das geflickt werden. „Außerdem gibt es bei uns Notfallschokolade, Trost und Pflaster“, sagt Spaltmann. „Und seinen Frust kann man bei uns auch schon mal los werden“, ergänzt Schenk.

Ebenfalls ein mehr oder weniger kleines Stübchen hat seit Jahren die Band. Im Stuhllager, dort, wo früher die Kostüme ihren Platz hatten, proben Francesco Cottone und Amby Schillo, die musikalischen Leiter, nochmal alles durch. Gerade steckt Oberbürgermeister Jürgen Fried seinen Kopf rein, sagt „hallo“. Er hat einen Stapel Flyer dabei zum Auslegen im Foyer. „Muss ja auch einer machen.“ Ein Großbildschirm zeigt den Musikern die Bühne und das, was dort soeben passiert.

In diesem Moment ist dort Michael Nikodemus zu Gange. Er saugt die Bühne frei von allerlei Miniresten vom Aufbau. Derweil klebt Dirk Knecht die Kabel fest, die an der Bühnenerweiterung entlanglaufen. Daniel Gräsel und Manfred Basler versuchen, ein großes Bild an die Drehkulisse zu bekommen, ganz nach Anleitung von Regisseur Matthias Stockinger. Gelingen will es nicht so recht. Erst einmal bleibt’s stehen. Basler sucht nach Lösungen. Inzwischen führt Daniel Gräsel, Stellvertreter von Bühnenmeister Thomas Hoheisel, die SZ in die Elektrotechnik ein. Zwei bis drei Kilometer Kabel sind für „The Producers“ in Gebrauch, zusammengehalten durch rund 400 Steckverbindungen. 35 bis 40 Mikros werden während der Vorstellung gebraucht, darunter neben den Headsets für die Darsteller auch die Mikros für die Band im Nebenraum. Damit alles gut zu hören ist, sind vier Lautsprecher auf der Bühne. „Dadurch hören die Darsteller die Musik und sich selbst“, erklärt Gräsel. Auf jeder Seite im Publikumsraum sind neun Lautsprecher. Dazu kommen vier für die Bässe unter der Bühne. 70 bis 80 Scheinwerfer setzen alles ins rechte Licht. Insgesamt 80.000 Watt werden da erstrahlen. Dass das auch alles auf den Punkt klappt, dafür sorgt Licht-Designer Jan Meier, der just mit Stockinger (war der nicht eben noch unten?) im Regieraum sitzt und die entsprechenden Knöpfchen schiebt.

Einige Meter dahinter wird gegessen. Thomas Backes, Regieassistentin Sibille Sandmayer, Nicolas Schneider und Rainer Dochow-Meister laben sich an Lasagne und überbackenem Schnitzel. „Das Catering ist dieses Jahr toll“, schwärmt Sandmayer. An der Wand hängt der Schminkplan. Schließlich muss alles mit System laufen bei den insgesamt zwölf Puderfeen. Bei denen ist viel los, es ist entsprechend heiß. Dass der SR in dem Moment drei Mann hoch aufläuft für einen Dreh übers Projekt, macht die Sache auch nicht besser. Hier wird gepudert, grundiert, werden Lippen bemalt und Wimpern angeklebt. Ist sich eine der Damen mal unsicher, muss Oberpuderfee Katja Molter-Basler her. Sie hat das letzte Wort, weil immer eine Lösung. Der Verbrauch an Schminkmaterial, so meint Molter-Basler, ist gar nicht so hoch wie man annimmt. Nun ja: fünf Dosen Haarspray pro Abend, vier bis fünf Päckchen Abschminktücher. „Man merkt halt schon, dass die sich oft umschminken müssen.“ Eine Dose Make-up reicht für drei Abende. Allerdings: Die Grundierung gibt es in insgesamt sieben verschiedenen Hautfarben, für jeden Hautfarb-Typ eben. Je vier Frauen teilen sich einen Tisch, jede Puderfee hat zehn bis 14 Schminkpinsel, auf jedem Tisch liegen zwei Schminkpaletten. Unzählige Lippenstifte ergänzen den großen Farbreigen. Wimpern liegen in diesem Jahr nicht nur wie üblich für die Tänzerinnen parat, die gibt es erstmals auch für Herren, „für Rogers Team“, schmunzelt Molter-Basler. Mit zwei Stunden Vorlauf sind die Puderfeen täglich da, schminken im 20-Minuten-Takt. Die Haare haben ihren eigenen Raum. Die beiden Friseure sind gegenüber zu Gange und haben eben arbeitsfrei. Im Flur hängen graue Perücken, alle haben einen Namen. Gabi Bier ist so freundlich, probiert für die SZ eine an.

 Die künstlerische Leiterin Ellen Kärcher (rechts) hat gelbe Kleidchen gefunden. Simone Georg freut’s.

Die künstlerische Leiterin Ellen Kärcher (rechts) hat gelbe Kleidchen gefunden. Simone Georg freut’s.

Foto: Jörg Jacobi
 Bei Birgit Spaltmann (vorne) und Silvia Schenk gibt’s außer Kostümänderungen auch Trost und Schokolade.

Bei Birgit Spaltmann (vorne) und Silvia Schenk gibt’s außer Kostümänderungen auch Trost und Schokolade.

Foto: Jörg Jacobi
 Im Kostümcontainer: Martina Schneider und Simone Georg.

Im Kostümcontainer: Martina Schneider und Simone Georg.

Foto: Jörg Jacobi
 Matthias Stockinger gibt Anweisungen, Dirk Knecht klebt Kabel fest.

Matthias Stockinger gibt Anweisungen, Dirk Knecht klebt Kabel fest.

Foto: Jörg Jacobi
 Nanuk probiert gerne mal was aus und macht den gestiefelten Kater.

Nanuk probiert gerne mal was aus und macht den gestiefelten Kater.

Foto: Jörg Jacobi
 Light-Designer Jan Meier setzt die Darsteller ins rechte Licht.

Light-Designer Jan Meier setzt die Darsteller ins rechte Licht.

Foto: Jörg Jacobi
 Die Requisiten warten im Vorraum zur Bühne auf ihren Auftritt.

Die Requisiten warten im Vorraum zur Bühne auf ihren Auftritt.

Foto: Jörg Jacobi
 Michael Nikodemus saugt vor Probenbeginn nochmal die Bühne durch.

Michael Nikodemus saugt vor Probenbeginn nochmal die Bühne durch.

Foto: Jörg Jacobi
 Kleine Stärkung in lockerer Runde und noch mal Luftholen: Rainer Dochow-Meister (links), Sibille Sandmayer und Nicolas Schneider.

Kleine Stärkung in lockerer Runde und noch mal Luftholen: Rainer Dochow-Meister (links), Sibille Sandmayer und Nicolas Schneider.

Foto: Jörg Jacobi

Aus dem Hintergrund ertönen Gesangsfetzen, die Sänger stimmen sich und ihre Mikros ein. Gleich beginnt sie, die erste Hauptprobe. Auch Simone Georg und Martina Schneider sind längst vor Ort und legen hier und da noch letzte Hand an. Ihren Container „bewacht“ nun der vierbeinige Nanuk gemeinsam mit Robert Liebig. Weil da jetzt gar nix zu tun ist, spielen die beiden auch schon mal gestiefelter Kater, pardon, Hund. Auch der Oberbürgermeister ist alle seine Flyer losgeworden und fährt. Die Bühnenhelfer kommen. Vor den annähernd 100 Akteuren auf und hinter den Kulissen liegt eine von vielen langen Nächten.

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