Töpferwerkstatt Ise Keßler Noch einmal brennen, dann ist Schluss

Wiebelskirchen · Ise Keßlers beliebte Töpferwerkstatt ist nach über 30 Jahren Geschichte. Der Kunst bleibt sie aber treu.

 Ise und Dieter Keßler in ihrem Garten, in dem viel Platz für Kunst und Gemütlichkeit ist.

Ise und Dieter Keßler in ihrem Garten, in dem viel Platz für Kunst und Gemütlichkeit ist.

Foto: Anja Kernig

„Alles muss raus.“ So abgegriffen dieser der Werbewelt entlehnte Spruch auch daher kommt, er trifft die Situation haargenau. Denn Ise Keßler hätte gern wieder mehr Platz im Haus. Gebaut hat es das Ehepaar Keßler vor 50 Jahren. Mit der Zeit verwandelte es sich in eine Art bewohnte Galerie, wohlgemerkt eine sehr gemütliche. „Ich bräuchte noch ein Haus für alle meine Arbeiten“, lacht die Gastgeberin. Plan B ist der praktikablere: sich trennen – und das tut Ise Keßler radikal. Sie schließt ihre Töpferwerkstatt, in der sie über 30 Jahre lang Kurse für Alt und Jung angeboten hat. Es gibt Familien, die jetzt inzwischen in der dritten Generation in der Ostertalstraße in Wiebelskirchen Ton modellieren.

Leicht fällt so ein Schritt nie. Aber: „Ich werde im August 76“, da dürfe man so langsam mal in Pension gehen. Sagt es und führt den Besuch in besagten Kellerraum. Die Regale entlang der Werkstattwände sind vollgestellt mit Skulpturen. „Da ist viel Anschauungsmaterial dabei“, erklärt die Schöpferin. Damit half sie den Kursteilnehmern „ohne Ideen“ auf die Sprünge. Für Brennofen und Werkzeug gibt es zum Glück schon einen Abnehmer, aber wohin mit den vielen Keramiken? „Wenn es keine Vasen, Teller oder Tassen sind, wird man es nicht los“, bedauert Ise Keßler. Kunst ist ein zähes Geschäft. So dass am Ende wohl der Container her halten muss. Wild drauflos verschenken mag sie ihre Werke nicht. Dann lieber wegwerfen, so traurig das auch ist.

Aber wer weiß, vielleicht meldet sich ja doch noch der eine oder die andere bei ihr und kommt vorbei, um sich was auszusuchen. Am Samstag finden garantiert noch einige Stücke neue Besitzerinnen. Denn dann versammelt sich zum letzten Mal eine Kurs-Gruppe um den Arbeitstisch, modelliert und formt aus Tonklumpen Gefäße und Skulpturen. Und Ise Keßler wirft den Ofen an: „Ich brenne noch einmal, dann ist Feierabend.“ Ans Aufhören denkt sie schon seit zwei Jahren. Diesmal lässt sie sich nicht wieder beknien, weiter zu machen. Nein, an Elan mangelt es ihr augenscheinlich nicht. Aber in der Werkstatt soll jetzt für den Enkel ein wohnlicher Schlafraum eingerichtet werden. Und überhaupt: der ganze Staub und Dreck – man merkt, Ise Keßler ist es wirklich leid.

Ihre bald 60-jährige künstlerische Karriere hört damit ja auch gar nicht auf. Im Wintergarten, der zum Atelier mit einem herrlichen Blick auf den Garten und in Richtung Bliesaue umgewidmet wurde, wartet die Staffelei. Überall stehen und hängen Ise Keßlers farbenfrohe, kraftvoll-abstrakte Bilder. „Ich experimentiere leidenschaftlich gern mit Farben“, was die Künstlerin auch weiterhin auf der Leinwand ausleben will. Von ihrer Vielseitigkeit zeugten schon etliche Ausstellungen sowohl gemeinschaftlich mit anderen Mitgliedern des Neunkircher Malkastens als auch als Einzelkämpferin, etwa im Neunkircher Rathaus oder in der Volksbank.

Und dann ist da ja auch noch der Garten: Die 1000 üppig grünen Quadratmeter verlängern die „Galerie“ nach draußen in die Natur, wo sich Keßlersche Kunst mit den Elementen verbindet. Eine Skulptur mit zehn Gesichtern findet sich hier ebenso wie Relikte ihrer „blauen Epoche“ oder diverse Baumgeister – in schöner Harmonie mit Steinbildhauarbeiten von Dieter Keßler. Dieses Gesamtkunstwerk Garten bindet natürlich ebenfalls eine Menge Energie und Zeit. Und die sind, auch bei einer Künstlerin, endlich.

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