Tag der offenen Tür Die Schule für die zweite Chance

Neunkirchen · Beim Tag der offenen Tür am Sozialpflegerischen Berufsbildungszentrum in Neunkirchen konnten Schüler ihre Perspektiven ausloten.

 Biologie ganz praktisch: Beim Tag der offenen Tür im TGSBBZ konnten die Besucher in den Unterricht schnuppern und den Alltag an den berufsbildenden Schulen kennenlernen.

Biologie ganz praktisch: Beim Tag der offenen Tür im TGSBBZ konnten die Besucher in den Unterricht schnuppern und den Alltag an den berufsbildenden Schulen kennenlernen.

Foto: Jörg Jacobi

„Kann ich ihnen helfen?“ Gleich hinter der Eingangstür fängt Pablo Degel die Besucher ab. Angesichts seines offenen Lächelns und der Aura unbedingter Hilfsbereitschaft kann man dem 20-Jährigen unmöglich einen Korb geben. Degel ist einer der Wiebelskircher Vierlinge, die drei Monate zu früh das Licht der Welt erblickten. Mit seinen Geschwistern besuchte Pablo die Körperbehindertenschule in Homburg und ist „sehr froh“, jetzt hier seinen mittleren Bildungsabschluss an der Sozialpflegeschule nachholen zu können. Erzählt er nebenbei, während er hochmotiviert mit Klassenkameradin Jenifer Kern (26) durchs Haus führt.

Das Erdgeschoss ist eine einzige Meile der Versuchung: Bei den Metzgern werden Frikadellen-Burger zubereitet, möglichst goldgelb gebraten, worauf Lehrmeisterin Sabrina Kesselring ein Auge hat. Nebenan in der „Bäckerei“ platzieren die Schüler des Berufsgrundbildungsjahres Ernährung schwarzbraune „Würstchen“ auf Plunderteigplatten: „Das sind selbstgemachte Schoko-Sticks aus Zartbitterkuvertüre und Sahne.“ Die sehen halt anders aus als die „aus der Fabrik“, stellt Bäckermeister Hans Jürgen Frank klar, der hier seit 2005 traditionelle Backkunst unterrichtet. 

In einem Klassensaal werden Schweineherzen seziert. Dann doch lieber gleich weiter zu den Frisören, die heute Handmassagen anbieten. Unterm Dach schließlich warten die angehenden Kinderpfleger mit allem Pipapo wie Barfußpfad, Schminken, Vorlesetheater, Masken/Armbänder-Basteln auf „Kundschaft“. Genäht wird hier oben auch noch. Junge Frauen und Männer fertigen Jonglierbälle, mit Rollenklischees hält man sich im Sozialpflegerischen Berufsbildungszentrum sowieso nicht auf. Es gibt Wichtigeres zu tun: „Wir sind die letzte Instanz“, sagt der neue Schulleiter Bernd Hussong, der zwar mehr als doppelt so alt ist wie Degel, aber dessen Motivation locker toppt. „Wir fördern, was geht“, etwa mit den Programmen „Perle“ (Persönliche Lernerfahrung) oder „KLAR“, das Berufsschülern kostenlose Zusatzstunden in Mathe und Deutsch ermöglicht – damit niemand ohne Abschluss auf der Straße landet, was meist das Anfang vom Ende bedeutet. Fast immer klappt es „Wir haben tolle Pädagogen“, zieht Hussong seinen Hut vor den Kollegen. Es gehört schon einiges dazu, Jugendlichen, die keinen Bock mehr auf Schule haben, Dreisatz oder den Genitiv beizubringen.

„Bei uns kann man noch mal durchstarten“, schwärmt der Schulleiter, der permanent zwischen den beiden Standorten (siehe Infobox) pendelt. Man nehme nur diese eine junge Frau, die zunächst die Handelsschule besuchte, dort aber „raus flog“. Die anschließende Frisörausbildung endete mit dem Konkurs des Salons. Dann stellten sich massive gesundheitliche Probleme ein. Heute ist sie Schülerin in der Kinderpflege. „Hier hat sie ihre Heimat gefunden“, freut sich Hussong , „ein super Beispiel für die Durchlässigkeit des Systems“. Von dem auch Pablo Degel profitiert. Trotz seines schwierigen Starts ins Leben sieht sein Weg vielversprechend aus. Ab Herbst besucht er die Katholische Fachschule Saarbrücken. Den Praxisteil absolviert er im Pallotti Haus.

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