Kutscherhaus Mit ihm kam Leben in die Künstler-Bude

Neunkirchen · Das Stummsche Kutscherhaus ist das Kreativ-Zentrum der Stadt. Eröffnet wurde es im vergangenen Jahr. Mittlerweile sind alle Räume vermietet. Wolfgang Reeb war der erste, der dort sein Büro bezog.

 Wolfgang Reeb vor balinesischer Tantramalerei in der Besprechungsecke in seinem Büro im Kutscherhaus.

Wolfgang Reeb vor balinesischer Tantramalerei in der Besprechungsecke in seinem Büro im Kutscherhaus.

Foto: Jörg Jacobi

In Gedanken ist Wolfgang Reeb noch in Berlin. Dort war er zwei Tage zuvor noch vollauf beschäftigt mit Vorbereitungen zu seinem „Film-Event SaarLorLux“. Es ist schon das vierte Mal, dass der Schauspieler, Autor, Produzent und Gastronom parallel zur Berlinale einlädt. Gleichwohl: Aus der hohlen Hand zaubert er so einen Empfang in der Hauptstadt nicht, merkt Reeb in seinem Büro im Kutscherhaus an. Es sei eher eine Art „Hobby“ von ihm. „Ich fahre nicht groß in Urlaub, lieber lade ich ein.“ 350 Gäste kommen im Schnitt, darunter viele junge Filmemacher. Am 20. Februar ist es soweit. Gut möglich, dass er dann wieder ein paar Leuten erklären muss, was SaarLorLux bedeutet: „Damit können viele nichts anfangen.“ Genau wie mit Neunkirchen, aber das will und das wird Reeb auch ändern. Seinen neuen biographischen Lieblingsort bekannter zu machen, ist so etwas wie seine Mission, in der er voll aufgeht. „Alles stürzt sich auf Saarbrücken.“ Dabei kriegt man dort keine Unterstützung, hier in Neunkirchen schon.

Wolfgang Reeb stammt aus Kaiserlautern, Jahrgang 1954. Filmtechnisch ist er ein Spätberufener. Sein Vater, ein Franzose algerischer Herkunft, hatte sich als Soldat nach Indochina abgesetzt. „Ich habe ihn nie kennengelernt“, erzählt Reeb. Aufgewachsen ist Wolfgang Reeb bei seiner deutschen Mutter und deren Mutter. Daher rührt auch seine Affinität zur Bachschule – in den Augen anderer mit einem Migrations-„Makel“ behaftet zu sein, das hat er als Kind selbst durchgemacht. Gern würde er ein Filmprojekt mit den Grundschülern realisieren. Noch so eine seiner Ideen: alte Filme zeigen im Pflegeheim.

Gelernt hat Reeb Spielzeugverkäufer bei Hertie. „Mit 26 Jahren war ich frustriert“, es zog ihn stattdessen in die Gastronomie. Als Gründer und Vorsitzender des Altstadtvereins setzte er sich in seiner Heimatstadt ab 1981 für den Aufbau der Altstadt und einer Erlebnisgastronomie ein. Zehn Jahre später wagte er einen großen Schritt: Über die Komparserie kam er ins damals noch sozialistische Prag, wo Reeb, sprach- und ortsfremd, Fuß fasste und die ersten Messen organisierte.

Zurück in Deutschland, eröffnete er 2000 sein Lokal „Die Winzer“ am St. Johanner Markt – ein schönes, aber teures Pflaster. Weshalb er in die Martin-Luther-Straße umzog, wo er seinen Kunst- und Kulturclub endgültig etablierte. Hier steht Reeb auch weiterhin regelmäßig hinterm Tresen, ist Ansprechpartner und Multiplikator für Künstler und Kleinkunstinteressierte, ein Szenegastronom wie aus dem Lehrbuch. Dabei schlägt sein Herz mindestens genauso stark für den Film. Das Handwerkszeug erarbeitete er sich von der Pike auf in der privaten Saarbrücker Schauspielschule Acting and Arts bei Petra Lamy. Schöpfen kann er beim Mimen aus einem „großen Fundus an Lebenserfahrung und Jahren“, sinniert Reeb. „Ich habe schon so viel erlebt.“

Mit seiner Firma „Film-Event-Treff“ unterstützt er zumeist junge Filmschaffende – mehr Herzensanliegen als lukrative Geschäftsidee. Das spricht sich rum: „Wenn im Saarland gedreht wird, verweisen inzwischen alle auf mich.“ Reeb hilft, wo er kann, organisiert den Transport, das Catering. Aus der sich langsam, aber stetig entwickelnden Filmlandschaft Neunkirchen ist er seit 2017 nicht mehr wegzudenken. Drei Filme half er im letzten Jahr hier mit umzusetzen, zudem wirkte Reeb bei der Erstellung der Günter-Rohrbach-Ausstellung mit. Und wenn der Rohrbach-Preis alljährlich mit großer Gala verliehen wird, trifft man sich vorher bei ihm – ab sofort natürlich im Kutscherhaus, wo der Pfälzer vor einem halben Jahr als erster Mieter einzog. Im Herbst dreht Wolfgang Reeb mit Regisseur Tor Iben seinen ersten Spielfilm. Natürlich in Neunkirchen. „Das Thema liegt mir schon ewig am Herzen“: Es geht um zwei Transsexuelle, die sich verlieben. „Und ich spiele die Tunte.“

So locker und leicht Reeb plaudert, wirklich einfach war es nie. Er weiß, was es heißt, sich durchzubeißen. Wird es finanziell eng, renoviert und malert der zweifache Papa und Großvater Wohnungen oder hilft bei Umzügen. „Meine Firma, mein Leben — das ist alles hart erarbeitet. Man kriegt nichts geschenkt.“

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