Kurzfilme Die Filmwelt blickt auf Neunkirchen

Neunkirchen · Mit dem „Saarländischen Filmemacher Abend“ startete die Finalistenwoche des 7. Günter Rohrbach Fimpreises.

  Das hat was: Benno Fürmann, der alte Haudegen, wie er im abendlichen Dunst vor der Silhouette des Neunkircher Hüttenareals vor sich hin melancholiert. Eigentlich eine der poetischsten Szenen von „Volt“. Trotzdem würde man Fürmann jetzt wirklich gern mal an die Hand nehmen und mitten rein ins volle Leben der Kreisstadt zerren, raus aus diesem gewollt trostlosen, rüden, grauen Science-Fiction-Reißer, der jetzt schon Maßstäbe für die kommenden Saarländischen Filmemacher-Abende setzt. Zum Auftakt der Finalistenwoche wurden diesmal beim Filmemacher-Abend  drei sehr unterschiedliche Filme gezeigt. Den Auftakt bildete „Fisch über Bord“ von Peter Matthies: die eindringliche Darstellung eines an Depression leidenden und letztlich vor der Krankheit kapitulierenden jungen Mannes. „Das Verlangen, zu verschwinden“, wollte Matthies zeigen. „Es gibt Menschen, die werden so geboren – mit dem Wunsch, gleich wieder zu gehen.“ Gedreht wurde dafür nicht nur auf der ins Nichts laufenden „Soda-Brücke“ zwischen St. Arnual und den Daarler Wiesen, sondern auch in einer Wohnung in der Neunkircher Luisenstraße. „Ein Riesengewinn“, lobte der Regisseur. In Saarbrücken gestalte sich das Einholen von Drehgenehmigungen oft kompliziert. Dagegen erlebte Matthies die Stadtverwaltung Neunkirchen als sehr kooperativ, genau wie die Anwohner vor Ort.

Premiere feierte an diesem Abend der zauberhafte Kurzfilm „Ballons“ von Jan-Luca Blaß. Anders als „Fisch über Bord“, der größtenteils über die Saarländische Filmförderung, zum Teil auch durch Crowdfunding finanziert wurde, realisierte der 17-jährige die Vater-Tochter-Geschichte komplett allein – als Produzent, Autor, Kameramann, Regisseur und Cutter in Personalunion. Sogar die Musik stammt von ihm. Ganze 45 Euro habe der Dreh gekostet: der Preis für ein paar „Hello Kitty“-Gasballons. Wie viele der gezeigten Luftballons digital generiert seien, kam die Frage aus dem Publikum. „Keiner“, verriet Blaß. Seine jeder Tourismuskampagne zur Ehre gereichenden Panorama-Aufnahmen der Ballonflüge filmte er mittels eigenhändig manövrierter Drohne.

Für die sich gerade bildende lokale Film-Szene ist Blaß ein Aushängeschild: Erst im April hatte der Riegelsberger beim 1. Saarländischen Filmemacher Wochenende in der Stummschen Reithalle mit seinem Porträt des Saarbrücker „Allzweck-Harlekins“ den zweiten Platz abgeräumt. Bei der Gelegenheit lernte er auch seine Hauptdarstellerin Luise Winter kennen. Herausgekommen ist dabei eben jener bittersüße Kurzfilm, bei dem Luise Botschaften an ihren tödlich verunglückten Vater in den saarländischen Himmel steigen lässt.

So ein Dreh mit Jan-Luca ist „herrlich“, schwärmte Luises Film-Papa, Sebastian Müller-Bech, für den es nicht das erste Projekt mit Blaß war. Geht der Jungregisseur doch so schön „unverbaut“ ans Filmen ran. Klar vergaloppiere sich so ein jugendlicher Heißsporn mal, dann müsse man ihn halt „mal kurz einfangen“. Generell aber sei die Zusammenarbeit „ein Genuss. Die jungen Leute sind voller Phantasie“.

Mit leichter Hand und fundiertem fachlichen Background führte Vorjury-Mitglied Marisa Winter durch das dreistündige Programm. Nebenbei outete sie sich als Lokalpatriotin: „Was die in Saarbrücken können mit ihrem komischen Ophüls Festival, das können wir auch.“ „Volt“ zum Beispiel, der bei Ophüls im Januar zu sehen gewesen war. Tarek Elail heißt der preisgekrönte Regisseur des Spielfilms – eine Naturgewalt mit Entertainerqualitäten, was der Homburger Ex-Boxer und -Tätowierer im Wasserturm unter Beweis stellte. „Man kann die Armut immer zur Kunstform erklären“, meinte er etwa in Bezug auf das  eher bescheidene Budget seines Hollywood affinen Spielfilms. „Ein bisschen Not, ein bisschen Konzept“, dann läuft es schon. Gedreht wurde größtenteils auf Industriebrachen in NRW, „hinter der Transitzone lauert der Edeka“.

Bar jeden Humors erwies sich dagegen die Handlung des 80-minütigen Werks: Volt, so der Spitzname des Hauptprotagonisten, sorgt als Teil einer staatlichen Exekutive in einer rechtsfreien, von Flüchtlingen bewohnten Transitzone für Zucht und Ordnung. Während eines Aufstandes tötet Fürman alias Volt im Affekt einen Nigerianer. Und droht an seinen Schuldgefühlen zu ersticken. Apropos: Zum Schluss appellierte Marisa Winter an die Zuschauer, sich diese Finalistenwoche  nicht entgehen zu lassen. „Richtige Festivalatmosphäre“ prophezeite sie für Donnerstag, für den sich Promis wie  Herbert Knaup und Lindenstraßen-Produzent Hans W. Geißendörfer angesagt haben. Den Rohrbach-Filmpreis gibt es „nur einmal im Jahr“, da sei die Teilnahme für jeden Kinofan der Gegend   ein Muss. Und Tarek Elail? Der verabschiedete sich in Richtung Istanbul, nonchalant witzelnd: „Das wird ein Abschied auf Dauer.“ Schade wärs!

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