Neunkircher Musical intern Die „Delegierten“ sind hin und weg

Neunkirchen · Awo-Mitglieder bedanken sich bei der internen Neunkircher Musicalaufführung „Marie“ mit nicht enden wollendem Beifall.

 Nina Sepeur (links) spielt Marie Juchacz, deren Schwester Elisabeth spielt Sibille Sandmayer.

Nina Sepeur (links) spielt Marie Juchacz, deren Schwester Elisabeth spielt Sibille Sandmayer.

Foto: Jörg Jacobi

Ah, die feine Gesellschaft ist auch da: Fünf Damen und ein Herr (eigentlich noch eine Dame, die im schwarzen Smoking steckt), stehen im Foyer der Gebläsehalle und haben Spaß. Immer wieder regnet es Komplimente von links und rechts. Mit Federboa, Fuchskragen, fransigem Charlestonkleid, keckem Hütchen und den ganzen anderen todschicken Fummeln sind Sonja Redel und ihre 70- bis 90-jährigen Begleiterinnen modisch nicht zu toppen. „Wir dachten, wir ziehen uns passend zum Abend im Stil der goldenen 20er an“, strahlt die Leiterin der Awo-Kleiderkammer St. Ingbert. Ihre Garderoben stammen komplett aus der Kammer im Mathildenstift. Dort ändern die ehrenamtlichen Helferinnen für die Heimbewohner gern mal Hosen oder Kleider. Und wandeln damit einmal mehr auf den Spuren der Awo-Gründerin. War Maria Juchacz doch auch Schneiderin, in der Zeit vor ihrer bemerkenswerten (sozial)politischen Karriere, deren Beginn vor 100 Jahren das Musical „Meine Herren und Damen: Marie!“ beleuchtet.

Heute Abend bleibt man unter sich: Bei der vierten der insgesamt acht Aufführungen handelt es sich um eine rein interne: „Die Hälfte der Karten ging an die Ehrenamtlichen im ganzen Land - von Freisen bis ins Mandelbachtal“, erklärt Landesvorsitzender Marcel Dubois. Jeder Ortsverein bekam ein Kontingent, ähnlich wie zu Delegiertenkonferenzen. Die andere Hälfte war den Hauptamtlichen vorbehalten. Alle Dienstleistungsbereiche seien vertreten: die Arbeit mit Behinderten, die Alten- und Jugendhilfe, Landesjugendring und Landesgeschäftsstelle. Für letztere und den Vorstand muss der Erfolg des Musicals ein innerer Vorbeimarsch sein: „Was wurden wir auf Bundesebene belächelt: ein Musical zum Jubiläum, und dann noch im Saargebiet“, freut sich Dubois. Bei Awo-Bundespräsident Wilhelm Schmidt, zur Premiere aus Salzgitter angereist, hat „Marie“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Er möchte das Musical gern für den Neujahrsempfang nach Berlin holen.“

Die Reaktionen am Dienstagabend fielen ähnlich aus. „Richtig gut gelungen“, schwärmte Ingrid Schappe aus Wellesweiler. Sie ist seit 25 Jahren und damit „schon ewig“ Mitglied und war lange in einer Wohngruppe tätig. Mit Musicals kann sie sonst wenig anfangen, da oft zu „übertrieben und affig“. Ganz anders „Marie“: „Das liegt mir“ – etwa wegen der „schönen Melodien“ und den super Stimmen. „Das hat richtig gut geklungen.“ Dazu viele „tolle Ideen“ wie das gefächerte Bühnenbild. Und: „Keine Versprecher!“ Dass nebenbei Geschichte vermittelt wird, auch bestürzende wie das Kapitel Kinderarbeit, gereicht „Marie“ keineswegs zum Nachteil. Findet auch Kreisvorsitzender Horst Schmeer. Mit 14 Aktiven pilgerte er aus Altenkessel ins Alte Hüttenareal. „Wir mussten Absagen erteilen“, gern wären noch mehr mitgekommen. Etwas schade sei, dass Maries Awo-Engagement an der Saar, wohin sie 1933 nach Machtergreifung der Nationalsozialisten aus Berlin geflohen war, keine Rolle spiele. Dafür sei es den Musical-Machern „hervorragend gelungen“, die Botschaft der Frauenrechtlerin zu transportieren. „Die Darstellerin wird ihr voll gerecht“, lobte Begleiterin Pia Hoffmann die Besetzung. Möglicherweise sei die frivole Bar-Szene für ältere Zuschauer etwas grenzwertig, überlegten Heike Backes und Jutta Stanitz, Alltagsbegleiterinnen in der Seniorenresidenz Saarlouis. Sie selbst finden das Musical durchweg toll. Und das Kleiderkammerteam?

„Wunderbar“, strahlte Walfriede Baas. Und ja, „ich denke schon, das wird Marie Juchacz gerecht“. „Sehr gut“, „sehr emotional“, „Gänsehaut pur, ich war kurz vorm Heulen“, pflichte der Rest bei. „Es ist auch so aktuell“, ergänzte Brigitte Hauch. „In den Aufsichtsräten hat sich noch nicht viel getan in Sachen Gleichberechtigung.“ Und bezahlt werden Frauen immer noch nicht wie Männer. Was den Genuss am Musical für die Erben von Juchacz nicht schmälerte. Im Gegenteil: Es sporne an und mache Mut, weiter gegen Wind- und Tretmühlen zu kämpfen.

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