Die Ästhetik des kaum noch Erträglichen

Neunkirchen · Unter dem Titel „Plastische Chirurgie“ stellen die Brüder Kempf in der früheren Metzgerei Merscher aus.

 Dietmar Kempf, Ralf Kempf und Annelie Scherschel-Freudenberger, im Reich der visuellen Veränderungen. Foto: Andreas Detemple

Dietmar Kempf, Ralf Kempf und Annelie Scherschel-Freudenberger, im Reich der visuellen Veränderungen. Foto: Andreas Detemple

Foto: Andreas Detemple

Die Brüder Dietmar und Ralf Kempf zählen zu den modernen Künstlern, deren Kunst genauso außergewöhnlich wie begeisternd ist. So liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Verbindung von Klang, Raum und unterschiedlichsten Objekten, mit denen sie Botschaften vermitteln und Eigeninterpretationen ermöglichen. ,,Plastische Chirurgie - Objekte und Installationen" - unter diesem Motto präsentieren die beiden Künstler, die bei der renommierten Galerie Beck in Homburg unter Vertrag stehen, derzeit in der Galerie des Künstlerkreises Neunkirchen in der ehemaligen Metzgerei Merscher am Oberen Markt in Neunkirchen ihre Werke. ,,Plastische Chirurgie und Metzgerei - da gibt es durchaus eine Verbindung", erläuterte Annelie Scherschel-Freudenberger am Sonntagmorgen bei der Ausstellungseröffnung. ,,Und ich spiele jetzt nicht darauf an, dass mancher Chirurg sich wie ein Metzger über uns und unsere Gebrechen hermacht." Mittels sechs Bildschirmen visualisieren Dietmar und Ralf Kempf den Irrsinn, auf Äußerlichkeiten zu achten und darüber hinaus die inneren Werte zu verdrängen. Wie zum Beispiel das saftige Steak, dem man den Fettrand einfach wegschneidet in Verbindung zur plastischen Chirurgie, zu der sich manche hingezogen fühlen, um sich ihrem persönlichen Idealbild zu nähern. Da blickt man einem Huhn oder Vogel Strauß schon einmal tief ins Auge, bevor ein Teil von ihnen dann für den menschlichen Verzehr verarbeitet wird. Die Künstler zeigen Filmsequenzen, untermalt mit eindringlichen Klängen, über das Fressen und Gefressen werden. Dietmar und Ralf Kempf gehen oft an die Grenze des noch Erträglichen. Und doch hinterlässt ihre Installation eine ganz eigene Ästhetik, entwickelt gar so etwas wie einen Sog in unterschiedlichste Geschichten. Die Installationen aus Klang, Objekt und Raum leben vom Spiel mit dem Realen und Irrealen. Man wird gefesselt von visuellen Sequenzen, die Kanülen, Körperteile, das menschliche Gesicht oder die menschliche Haut zeigen und dann verschwimmen in das Präparieren von Fleisch, Gemüse oder Obst. Schönheit steht an erster Stelle, aber kommt Schönheit eigentlich nicht von innen? Dietmar und Ralf Kempf geht es einerseits darum, eigene Ideen ohne Rücksicht auf allgemeine Konventionen umzusetzen, andererseits wollen sie eine neue Sichtweise öffnen und so dem Betrachter einen tieferen Blick auf die Realität ermöglichen. Daneben präsentieren die Künstler weitere Objekte, wie quadratische Kästen gefüllt mit Dingen des täglichen Lebens wie dem Plastikbecher, der Pommes-Gabel oder dem Scheuerschwamm, die im Rahmen der "Kempf'schen Anordnung" zu etwas vollkommen Neuem werden.

Die Ausstellung ,,Plastische Chirurgie - Objekte und Installationen", die der Künstlerkreis Neunkirchen bis zum 11. Juni in seiner Galerie am Oberen Markt 1 in Neunkirchen präsentiert, ist donnerstags von 18 bis 20 Uhr, oder nach Vereinbarung zu besichtigen.

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