Der Altar wird zum DJ-Pult

Neunkirchen · Ende vergangenen Jahres trennte sich die Pfarrgemeinde St. Marien von der Herz-Jesu-Kirche. Seither befindet sie sich im Besitz des Homburger Künstlers Jürgen Trösch, der dort kräftig umbaut. Die SZ hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

 Der Meister mit seinen „Wesen“: Jürgen Tröschs Plastiken symbolisieren die Verknüpfung von Mensch und Tier. Foto: Willi Hiegel

Der Meister mit seinen „Wesen“: Jürgen Tröschs Plastiken symbolisieren die Verknüpfung von Mensch und Tier. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Neunkirchen. Elektronische Musik hallt aus zwei großen Boxen, die neben dem Altar stehen, dahinter hüllen LED-Leuchten das Lamm Gottes in bunte Disco-Beleuchtung und ein großes blaues Sofa lädt zum Verweilen ein. Plastiken thronen entlang der Seitenschiffe auf massiven Sockeln, Wischmopps trocknen an Kirchenbänken, in Weihwasserbecken stehen gläserne Aschenbecher und das Taufbecken dient als Visitenkartenspender. Diese skurrile Szenerie entspringt nicht etwa einer Theaterbühne, sie spielt sich gerade in der Neunkircher Herz-Jesu-Kirche ab, die seit ihrer Entweihung Ende vergangenen Jahres in den Händen des Homburger Künstlers Jürgen Trösch ist. Der 46-Jährige ist dabei, die ehemals katholische Kirche in eine Kunstgalerie zu verwandeln. Bereits Mitte Mai will er sie eröffnen.

Trösch war schon lange auf der Suche nach einem geeigneten Objekt, um seine Kunstwerke auszustellen. Sein Atelier, das sich seinem Wohnhaus in Homburg anschließt, ist einfach zu klein geworden. Auf der Suche nach einer passenden Immobilie hatte er sich zusammen mit seiner Frau Beate Lorang verschiedenste Objekte in der Region angeschaut, darunter auch ein Hochbunker in Zweibrücken. "Der hatte aber vier Meter dicke Betonwände", sagt Trösch und winkt ab: "Unmöglich, da Fenster einzubauen." Das Spiel mit Licht ist für den Künstler aber essenziell.

Die Herz-Jesu-Kirche hat Trösch mit ihren 14 Meter hohen Decken und bunten Glasfenstern überzeugt. So unterschrieb er den Kaufvertrag im Januar und ist seitdem fast täglich mit Frau Beate und anderen Helfern am Werkeln. Die Wände haben sie bereits weiß gestrichen und von Halogen- auf LED-Beleuchtung umgerüstet. Diese Woche steht der Umbau der zwei Emporen an: Den stufenartig aufgebauten Boden empfindet Trösch als Stolperfalle, daher wird er zurückgebaut.

Ob die Orgel in der künftigen Galerie bleibt, weiß der Künstler noch nicht, die Kirche wolle sie vielleicht noch verkaufen. Den Beichtstuhl im rechten Seitenschiff der Kirche behalte er zwar, er sei sich aber noch nicht sicher, ob er ihn als Garderobe oder Getränkelager verwende. Auch vom Altar wird sich Trösch nicht trennen, "der ist doch zum DJ-Pult prädestiniert", sagt er lachend und gibt zu, dass die Idee etwas schräg klingen mag. Doch mit Ketzerei hat das nichts zu tun: Mit der Kirch-Entweihung hat auch der Altar seine religiöse Komponente verloren und ist eben nicht mehr als ein steinerner Tisch.

Rund 20 Objekte hat der gelernte Industriemechaniker schon in der ehemaligen Kirche in der Kleiststraße in Szene gesetzt. Neben Ölgemälden sind es die "Wesen", Tröschs zweibeinige, längliche Plastiken in verschiedensten Größen und Materialien, die das zur Ausstellungsfläche umgewandelte Kirchenschiff dominieren. Wie ihr Name verrät, fällt ihre Zuordnung schwer: Mensch oder Tier? Der Homburger entwickelte diese Mischform bewusst, denn er findet die Idee, Tier und Mensch auch real miteinander zu verbinden, reizvoll. Genetischen Experimenten steht er also offen gegenüber: "Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten eine Haut aus Leder, die würde Sie viel besser schützen", sagt er und zieht nachdenklich an seiner Zigarette.

Mitten im Kirchenschiff steht mit drei mal 1,2 Metern das größte Wesen, das Trösch nicht wie die Mehrzahl der anderen aus patinierter oder polierter Bronze formte, sondern aus Styropor. Fertig ist es noch nicht: "Da muss noch Kunststoff aufgespritzt werden", sagt er.

Wie genau die Kunstgalerie funktionieren soll, ob sie zum Beispiel nur einige Tage in der Woche geöffnet ist, hat Trösch noch nicht festgelegt. An Ideen mangelt es dem Künstler jedenfalls nicht: "Ich könnte mir bis zu vier Veranstaltungen im Jahr vorstellen", sagt er. Von einer Kunstmesse, vielleicht sogar mit internationalen Ausstellern über Ausstellungskooperationen mit anderen Künstlern bis zur zeitweisen Vermietung an Veranstalter, die auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Ambiente sind, kann er sich so einiges vorstellen.

Den Umbau, der sich momentan auf den Innenbereich der Kirche konzentriert, will Trösch bald auf den Außenbereich ausweiten. Ein zwei Meter hoher Zaun soll her, denn momentan laufe einfach jeder über den Kirchenvorplatz. Dort will Trösch aber bald seine "Wasserquader" installieren. Das sind massive Blöcke, aus denen Wasser sprudelt und die zusätzlich durch eingebaute LED-Lampen über Lichteffekte verfügen.

Dass sich gerade in der Herz-Jesu-Kirche eine neue Galerie ansiedelt, macht auch Michael Mahren, Vorstandsmitglied des Berufsverbands der bildenden Künstler, neugierig, der spontan vorbeischaute. "Ein klasse Projekt", sagt er beeindruckt. Chancen sieht er in dem Unternehmen auf jeden Fall, denn eine Kunstgalerie in einer Kirche sei nicht nur im Saarland einzigartig. Auch von der Idee, eine Kunstmesse zu initiieren zeigt er sich begeistert - denn solch eine gebe es im Saarland bisher nicht.

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HintergrundDie katholische Pfarrgemeinde St. Marien Neunkirchen hat Ende 2015 drei ihrer vier Kirchen aufgegeben, um ihre Gebäude zukunftssicher und finanzierbar machen. Neben der Herz-Jesu-Kirche (erbaut 1956) wurden die Kirchen St. Barbara (erbaut 1958) und St. Pius (erbaut 1960) aufgegeben. Damit spart die Pfarrgemeinde Kosten von jährlich 60 000 Euro ein, die für die drei Gebäude anfielen. koj/Quelle: Pfarrgemeinde

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