Landrat stellt Hinweisschild auf „Schämt euch“: Hakenkreuze an Gedenkstein für Nazi-Überlebenden – Landrat Sören Meng reagiert
Neunkirchen · Von Amts wegen reagiert der Staatsschutz bei Hakenkreuz-Schmierereien und dergleichen. Dass solche Symbole von demokratisch legitimierten Politikern verurteilt werden, steht außer Frage. Doch der Neunkircher Landrat Sören Meng reagierte auf einen jüngsten Fall in seinem Heimatort besonders betroffen. Und das hat einen traurigen Grund.
Vier Hakenkreuze auf der Gedenktafel für Alex Deutsch (1913 – 2011): Der Staatsschutz ermittelt – wie in solchen Fällen üblich, wenn verfassungsfeindliche Symbole auftauchen. Die Schmierereien waren bereits Mitte April entdeckt worden. Der Stein mit der Tafel in Erinnerung an den Wiebelskircher Juden steht an einer Fußgängerbrücke in dem Neunkircher Stadtteil.
Und es sollte nicht die einzige Schändung bleiben, wie Sören Meng berichtet. Der Landrat wurde ein weiteres Mal darauf aufmerksam gemacht, dass das Andenken an den Holocaust-Überlebenden erneut in den Dreck gezogen worden sein soll. Diesmal hatten Unbekannte einen für Adolf Hitler typischen Oberlippenbart auf Deutschs Konterfei aufgebracht.
Landrat Sören Meng lässt Hinweisschild platzieren
Mittlerweile verschwanden diese Symbole, die für eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte stehen. Jetzt stellte Meng ein simples Hinweisschild auf: ein DIN-A4-großes Blatt an einem Holzpflock. In scharfen Worten bezieht der SPD-Politiker darauf Stellung zu der Straftat. Er spricht die Täter persönlich an. So heißt es wörtlich: „Schämt Euch und denkt darüber nach, was hier gemacht wurde.“
Einige Zeilen zuvor geht er auf die Person Alex Deutsch und seinen Leidens- und Lebensweg ein. So habe er seine Frau und seinen Sohn (3) im Vernichtungslager Auschwitz verloren. Trotz dieser Erfahrung habe er sich nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat „für Frieden und Versöhnung“ eingesetzt. Deutsch lebte von 1978 bis zu seinem Tod in Wiebelskirchen. Er heiratete wieder.
Witwe von Alex Deutsch zeigte sich fassungslos
Seine Witwe wohnt weiterhin in dem Ort. Und bekam die Schändung des ihrem verstorbenen Mann gewidmeten Denkmals mit. „Sie war fassungslos, bezog die Tat persönlich auf ihren Mann“, berichtet Meng auf SZ-Anfrage. Dabei sei es gar nicht klar, ob die Unbekannten tatsächlichen einen direkten Bezug zu Alex Deutsch herstellen. „Doch sie schmähen das Lebenswerk dieses Mannes“, sagt Meng, der selbst in Wiebelskirchen zuhause ist.
Doch das allein lässt ihn nicht so emotional reagieren. Denn: Mengs Familie sei selbst von der Verfolgung durch Nazis betroffen. „Väterlicherseits verloren wir einen Anverwandten. Er war geistig behindert und wurde deshalb in Hadamar umgebracht.“
In dem mittelhessischen Ort war von 1941 bis 1945 eine Tötungsanstalt eingerichtet. Hier ließen die Nationalsozialisten weit mehr als 14 000 Menschen umbringen. Dabei wurden Behinderte und psychisch Kranke in Gaskammern getötet. Medikamente kamen zur Vernichtung ebenso zum Einsatz. Oder die Menschen verhungerten.
Sören Meng besonders emotional wegen seiner Familiengeschichte
Dieser dramatische Fall ist jedoch nicht der einzige in Mengs Familie: „Der Bruder meines Urgroßvaters wurde als Widerstandskämpfer umgebracht.“ Er, der Kommunist, sei im Gefängnis gestorben. Für beide Opfer – Erich Koble und Willi Herrmann – gibt es in der Kreisstadt in den Gehweg eingesetzte Stolpersteine, die auf Opfer des Nazi-Regimes und deren einstigen Wohnort hinweisen.
Die jüngsten Beschädigungen am Denkmal, welches erst im Februar dieses Jahres gesetzt wurde, seien somit für Sören Meng mehr als nur Ausdruck blinder Zerstörungswut. „Für mich steht klipp und klar fest: Wer Symbole der Nazis verwendet, hat einen rechtsradikalen Bezug.“
Oberbürgermeister Jörg Aumann (SPD) tritt solchen Tätern mit Verachtung entgegen. „Solche Menschen sind extrem geschichtsvergessen und dumm.“ Solche Taten seien feige und damit Inbegriff des Verhaltens eines Nazis.
Ob die Tafel die Täter von weiteren Einsätzen an dem Denkmal abhalten wird? Meng: „Die Bürger sind aufmerksamer. Sie halten jetzt ein wacheres Auge aufs Umfeld.“ Oder wie auf seinem eilig aufgestellten Schild daneben steht: „Ich hoffe, dass diesem Ort künftig mit mehr Respekt begegnet wird.“