Das Sterben eines Ungeheuers aus Sicht des Fotografen

Neunkirchen · Dank der am Mittwoch eröffneten Ausstellung sind erstmals Fotografien des Künstlers Franz Mörscher im Rathaus zu sehen. Mörscher lebte lange in Neunkirchen und pflegte eine ganz besondere Beziehung zur „Hitt“. Dass sein Schaffen auch andere Facetten hat, beweisen die gezeigten Porträts und Landschaftsaufnahmen des 82-Jährigen.

 Bei der Eröffnung der Mörscher-Ausstellung: Reinhard Klimmt (v.l.), Otto Dietz, Beigeordneter Sören Meng und Jürgen Kern. Foto: Stadt

Bei der Eröffnung der Mörscher-Ausstellung: Reinhard Klimmt (v.l.), Otto Dietz, Beigeordneter Sören Meng und Jürgen Kern. Foto: Stadt

Foto: Stadt

Natürlich ist es kein schlechtes Omen, wenn ein Bild im Laufe einer Vernissage zwei Mal von der Wand fällt. Sondern hat seine Ursache lediglich in einer "schlechten Befestigung", wie Beigeordneter Sören Meng nach dem zweiten Knall geistesgegenwärtig in seine Laudatio einflocht. Zu Boden gegangen war eines jener Fotos, die den Abriss des Neunkircher Eisenwerks dokumentieren: in Gestalt rauer Mengen ihrer Funktion entledigter Ziegelsteine, die sich vor den Türmen des Werkes zu einem Berg aufhäufen.

Zwischen 1984 und 1987 muss das gewesen sein. Auf Hinweise auf das Was und Wann zu jedem der 20 Fotos wurden bei der Mittwochabend eröffneten Ausstellung in der Rathausgalerie verzichtet. Vielleicht, weil sie sich ohnehin selbst erklären und, unverortet in der Zeit, einen größeren Spielraum für Identifikation zulassen. Sören Meng, der die treibende Kraft hinter der von der Druckerei Kern ermöglichten Ausstellung war, ist zu jung, um das aktive Eisenwerk bewusst erlebt zu haben. Gerade deshalb verfügen die Fotos Mörschers für ihn über einen "unschätzbaren Wert. Sie erinnern an das alte Neunkirchen und zeigen Plätze auf, die heute kaum noch vorstellbar sind." Und sie zeugen von der Omnipräsenz der "Hitt": "Alles fokussierte sich auf das Werk, wirkte angesichts der immensen Größe der Anlagen klein."

Für Mörscher selbst, 1931 im Hunsrück geboren und als Fünfjähriger nach Neunkirchen gezogen, war der Eindruck ein noch viel überwältigenderer. "Es ist ein Ungeheuer. Oder des Teufels Küche", beschreibt er in dem 1997 erschienenen Buch "Das Eisenwerk" seine kindliche Wahrnehmung. "Einige Jahre bestand die Angst, das Höllenfeuer könnte die Stadt verbrennen, wie ein Vulkan." Als das Ende des Kolosses eingeläutet wurde, war Mörscher zur Stelle: "Drei Jahre, Tag für Tag, und noch ein Jahr fotografierte ich in dem Ungeheuer", das längst Teil seiner künstlerischen Existenz geworden war.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden Fotografien aus zwei aktuellen Büchern Mörschers, herausgegeben von der Neunkircher Druckerei Kern. In "Bauwerke und ihr Leben in Utopia" setzt er sich kritisch mit dem Begriff der Architektur auseinander. Auf die Ambivalenz im Panorama einer bretonischen Küste geht Mörscher in "Finistère - Die Tücken des ästhetischen Urteils in der Bilderwelt" ein. Überraschungsgast Reinhard Klimmt kam in seiner Ansprache auf die "schöpferische Kraft des Fotografen " zu sprechen, von der Mörscher "vorbildlich viel aufzuweisen" hat. Aus seiner "Obsession aufs Eisenwerk" seien "grandiose Fotografien " hervorgegangen. Wobei man Mörscher nicht darauf reduzieren sollte: Der Schüler von Professor Boris Kleint steht nicht zuletzt für Kunst im öffentlichen Raum. So schuf er unter anderem das Poseidon-Mosaik im alten Neunkircher Stadtbad, die Säule im Foyer des Landratsamtes in Ottweiler oder das Bronzedenkmal vorm Bürgerhaus. Aus gesundheitlichen Gründen konnte Franz Mörscher, der seit 1998 in Oberbayern lebt und dort nach wie vor künstlerisch aktiv ist, nicht anwesend sein. Klimmt und Meng wünschten der Ausstellung möglichst viele Besucher, die "einem großen saarländischen Künstler die Referenz erweisen".

Geöffnet ist Galerie im Rathaus montags bis freitags von 8 bi 12 Uhr sowie montags bis donnerstags von 14 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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