„Das kann alles weg“

Heinitz · Seit Osternmontag ist St. Barbara in Heinitz keine Kirche mehr. Demnächst wird das Gotteshaus aus den 1950er Jahren abgerissen. Doch die Bänke werden wohl bald wieder in einer anderen Kirche Verwendung finden.

 Elisabeth Dilk räumt den Schrank mit den letzten liturgischen Gewändern aus. Zehn Jahre lang war sie Küsterin in St. Barbara in Heinitz.

Elisabeth Dilk räumt den Schrank mit den letzten liturgischen Gewändern aus. Zehn Jahre lang war sie Küsterin in St. Barbara in Heinitz.

"Schlimm ist das. Ganz schlimm." Für einen Augenblick stockt Elisabeth Dilk die Stimme. Sie schaut zu Boden. "Irgendwie war das ja auch meine Kirche." Im schwarzen Fleece-Pullover steht sie da, die blonden Haare sind im Arbeitseifer ein wenig über die Stirn gerutscht. 80 Jahre ist sie alt, aber wirkt viel jünger, viel zu beschäftigt, um alt zu sein. Zehn Jahre lang war sie Küsterin von St. Barbara. "Ich war ja immer schon vier Stunden vor der Messe hier und unter der Woche eigentlich auch immer. In der Kirche habe ich mich wohlgefühlt." Jetzt muss sie Abschied nehmen.

Sie sagt noch immer "Kirche", obwohl St. Barbara in Heinitz seit Ostermontag genau das nicht mehr ist. Mit der Verlesung der Profanierungsurkunde war vom einen auf den anderen Moment aus dem 1958 erbauten Gotteshaus ein ganz gewöhnliches Gebäude geworden. "Das war ein ganz seltsames Gefühl", sagt Dilk. Ende Januar war die Entscheidung gefallen, dass St. Barbara abgerissen wird. Auf dem Gelände soll ein Bürogebäude entstehen. Für die Heinitzer heißt das, dass sie künftig zum Gottesdienst nach Neunkirchen müssen. Seit 2007 gehören sie nämlich zur Gemeinde St. Marien. Und die muss, wie so viele andere auch, sparen. Als erste Kirche traf es nun St. Barbara, die seit den 1970er Jahren auch von der evangelischen Gemeinde genutzt wurde. Und spätestens im November werden auch St. Pius und Herz Jesu schließen. "200 Leute haben am Montag Abschied genommen. Viele haben geweint, als das Allerheiligste rausgetragen wurde", sagt Dilk. "Nicht nur die Alteingesessenen. Ich habe mit einem jungen Mann gesprochen, der noch gar nicht lange in Heinitz wohnt. Auch er war ganz bewegt."

Elisabeth Dilk unterbricht sich im Satz. Es scheppert, als eine lange Eisenstange, die die Bänke zusammengehalten hat, auf den kalten Boden fällt. Die kahlen Wände werfen den Schall zurück, bis die ganze Kirche erfüllt ist von diesem infernalischen Lärm. Kurz wirkt es so, als wolle Dilk schimpfen, dass sich so etwas in einer Kirche nicht gehöre, doch es ist ja keine Kirche mehr. Die wichtigsten Sakral-Gegenstände sind schon in Neunkirchen, der Kreuzweg ist abgehängt und der sandsteinerne Altar wirkt kühl, fast abweisend, ohne Altartuch.

"Können wir hier auch schon anfangen?", fragt Jürgen Koch, einer der Arbeiter, die mit ihren Akkuschraubern die Kirchenbänke abbauen. "Das kann alles weg", antwortet Dilk, "Alles." Es ist der einzige Moment, in dem sie beinahe wütend wirkt über das, was da in ihrer Kirche passiert.

Jürgen Koch macht sich daran, die nächste Reihe Bänke abzubauen. Ob es denn etwas Besonderes sei, in einer Kirche zu arbeiten? Koch zuckt mit den Schultern. Sein Kollege Sebastian Arnold schüttelt den Kopf. "Mich berührt das eigentlich weniger. Natürlich ist das schon schade, dass so ein Gebäude abgerissen wird. Aber wir sind ja schon öfter in Kirchen." Denn ausgerechnet die Kirchenbänke, die da gerade mit soviel Radau abmontiert werden, werden ihren Weg zurück in eine Kirche finden. Koch und Arnold arbeiten für den Wemmetsweiler Orgelbauer Thomas Gaida. Und der baut aus den alten Heinitzer Kirchenbänken wieder Orgelpfeifen-Stöcke.

Und Dilk? "Irgendwie fragen mich alle, was ich jetzt mache, wo die Kirche zu ist." Sie muss lachen. "Ich finde ja, dass ich mir mit 80 meinen Ruhestand verdient habe."

 Jürgen Koch baut die alten Kirchenbänke ab. Aus ihnen werden später Orgelpfeifen-Stöcke. Fotos: Willi Hiegel

Jürgen Koch baut die alten Kirchenbänke ab. Aus ihnen werden später Orgelpfeifen-Stöcke. Fotos: Willi Hiegel

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HintergrundDie Pfarrei St. Marien entstand 2007 aus der Zusammenführung der drei Pfarreien St. Marien, Herz Jesu und St. Barbara. Sie kümmert sich um 10 000 katholische Christen in der Neunkircher Innenstadt, Heinitz und Sinnerthal. Nach der Profanierung von St. Barbara in Heinitz folgen im November die Neunkircher Kirchen St. Pius und Herz Jesu. jbö

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